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Scalable Skeletal Escalator - Isabel Lewis and Collaborators, The Field
Tanzhaus Zürich, 2. April 2022
Mit Lucia Gugerli, Pierre Piton, Declan Whitaker, Mirjam Jamuna Zweifel, Rafal Pierzynski
Aufführungsimpression Tanznachtisch der TanzLOBBY IG Tanz Zürich
Text: Valerio Porleri
Blaue Füße und orange Ohren am Eingang der Bühne 1 des Tanzhaus Zürich für die Performance "Scalable Skeletal Escalator" von Isabel Lewis and Collaborators, The Field. Der weisse Boden erklärt den Grund für den blauen Schuhschutz. Die Ansammlung der Lautsprecher auf der Rückseite des Raumes erklärt, dass die Musik laut sein wird und wir die orangefarbenen Ohrstöpsel brauchen werden.
Die vier Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich auf dem Boden zwischen den gleichmäßig angeordneten Tribünen, umgeben von trennenden Kunststoffstrukturen und riesigen, von der Decke hängenden Malereien. Ihre Bewegung, die von Leichtigkeit und geringer Spannung geprägt ist und bei der die Gliedmaßen von der Körpermitte zur Peripherie gleiten und winken, lädt die Zuschauenden zum Sitzen ein. Beim Gespräch nach der Aufführung, dem "Tanznachtisch", organisiert von der TanzLOBBY IG Tanz Zürich, teilten einige Zuschauer:innen ihr Erstaunen über die Bewegungsqualität der TänzerInnen mit.
Das Publikum wird sofort von den klickenden Klängen, die im Raum widerhallen, und den schmelzenden Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer, die ganz in einer anderen Welt zu versinken scheinen, angezogen. Wie im Gespräch nach der Aufführung ausgesagt, wird die recht komplexe Beschreibung des Stücks etwas klarer, wenn die Tänzerinnen und Tänzer beginnen, die ursprüngliche Raumsituation umzugestalten. Eine Tänzerin nähert sich einer anderen, indem sie sich wie eine Schlange schlängelt und so eine plötzliche Kettenreaktion in der Umgebung auslöst. Als Reaktion darauf betritt ein weiterer Tänzer den Raum, um das Team zu vervollständigen, was in allen Körpern eine starke Reaktion hervorruft. Ein Tanz aus frenetischen Bewegungen, der für alle ansteckend ist, überwältigt den Raum zusammen mit der erhöhten Lautstärke der Musik. Überspannte Muskeln, flinke Sprünge, plötzlicher katzenartiger Lauf auf allen Vieren.
Starke Bilder reihen sich aneinander: ein Käfig, der an Isolation erinnert, Körperzuckungen, die schwer lesbares Leiden andeuten, Schichten, die an Zellmembranen erinnern und die TänzerInnen voneinander trennen. In einer wirbelnden Abfolge von tierisch inspirierten Moves, gewürzt mit Bewegungen, die einer traditionelleren Tanzästhetik entstammen, wird der Zuschauer von den Veränderungen des Schauplatzes verschluckt. Ist dies der Holobiont, auf den sich die Künstlerin Lewis beziehen möchte? Das Publikum wird Teil der Aufführung, wenn einer der Tänzer durch die Menschen kriecht und die vierte Wand durchbricht. Nacheinander betreten die Tänzer:innen die Publikumstribüne, oder ist es andersherum? Die letzte verbliebene Tänzerin auf der Bühne bewegt einen auf Rädern montierten Spiegel auf uns zu und lässt das Publikum von der linken auf die rechte Seite spiegeln.
Jetzt sind wir an der Reihe. Eine Stimme, vielleicht aufgenommen, vielleicht live, ermöglicht eine kurze somatische Erkundung, um unsere Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper zu lenken. Die scheinbare Entspannung, die sich aus dieser Erkundung ergibt, wird durch immer lautere Geräusche, die den ganzen Raum ausfüllen und in Vibrationen hör- und spürbar werden, gestört; ähnlich würde es in einem 4D-Kino ablaufen. Die computergestützte Klanglandschaft startet wie ein System-Reset nach einem todähnlichen Ereignis neu. Auch die Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer starten auf nicht-lineare Weise neu und scheinen keine eindeutige Bedeutung zu haben. Als ob sie die Bewegungen des Lebens wiedergeben würden, unabhängig von bestimmten Absichten. Braucht das Leben einen Grund, um zu geschehen? Die Tänzerinnen und Tänzer lassen das Publikum mit Fragen über die Wiederholung systemischer Strukturen, Grenzen, Inklusivität, die Collage verschiedener Entitäten und das Vergnügen am raffinierten und geschickten Tanzstück zurück.
Text: Valerio Porleri für Tanzlobby IG Tanz Zürich
ENGLISH
Scalable Skeletal Escalator - Isabel Lewis and Collaborators, The Field
Tanzhaus Zürich, 2. April 2022
With Lucia Gugerli, Pierre Piton, Declan Whitaker, Mirjam Jamuna Zweifel, Rafal Pierzynski
Blue feet and orange ears at the entrance of Bühne 1 of Tanzhaus Zurich on April the 2nd for the performance “Scalable skeletal escalator” by Isabel Lewis and Collaborators, The Field. The white floor explains the reason for the blue shoe protection. The assemblage of speakers placed at the backside of the performance space explains that the music will be loud, and we will need the orange earplugs.
The four dancers move on the floor between the equally placed platforms, surrounded by plastic partitioning-like structures and giant paintings hanging from the ceiling. Their movement, characterised by lightness and low tension, with their limbs sliding and waving from the body’s centre towards the periphery, invited the spectators to sit down. During the talk after the performance, the “Tanznachtisch”, organised by TanzLOBBY IG Tanz Zürich, some spectators shared their amazement at the dancers’ movement quality.
The public is immediately drawn in by the clicking sound that resonates in the room, and the melting movements of the dancers, who seem entirely absorbed in another world. As expressed in the talk after the performance, the piece’s rather complex program description becomes a bit clearer when the dancers start to reorganise the original space setting. One dancer gets closer to another by slithering in a snake-inspired manner, inducing a sudden chain reaction in the environment. In response, another dancer enters the space, completing the group, which provokes a strong reply in all bodies. A contagious dance of frenetic moves overwhelms the space together with increasingly louder music. Hypercontracted muscles, nimble jumps, sudden catlike runs on all fours.
Strong pictures succeed one another: a cage reminding us of isolation, body convulsions hinting at hard-to-read sufferance, layers reminiscent of cellular membranes separating the dancers from each other. In a whirling succession of animal-inspired moves seasoned by movements deriving from more traditional dance aesthetics, the spectator gets swallowed by the changes in the setting. Is this the holobiont the artist Lewis would like to refer to? The audience becomes part of the performance as one of the dancers crawls through the people breaking the fourth wall. One after the other, the dancers enter the auditorium, or is it the other way around? The last remaining dancer on stage moves a mirror mounted on wheels towards us and then lets the public mirror itself from the left to the right side.
It is our turn now. A voice, perhaps registered, perhaps live, facilitates a somatic-based brief exploration to draw our attention to our own body. The apparent relaxation deriving from this exploration is strongly disrupted by always louder sounds that become audible and perceivable through the vibrations that fill up the whole space; like in a 4D cinema setting. The computer-based soundscape starts again like a system reset after a near- death event. So too the dancers’ movements restart in a non-linear manner without a clear meaning. As if to reproduce the motions of life which are happening, without a specific purpose. Does life need a reason to happen? The dancers leave the audience behind with questions about the repetition of systemic structures, borders, inclusivity, a collage of diverse entities, and the pleasure of this refined and skilled dance piece.