• AKTUELL
    • Donnerstag 30.10.2025 22:32

      TRYOUT! SiteSpecific 17.05.25 - 15:00, Wasserkirche Zürich

      TRYOUT! SiteSpecific in collaboration with Zürich Tanzt
      A site-specific exploration of “Arche 2.0” in the “Wasserkirche” in Niederdorf Zurich

      Performance: May 17, 2025 - “Arche 2.0” “Wasserkirche” Niederdorf Zurich, Zürich Tanzt

      Performance Info: https://zuerichtanzt.ch/programm/tryout-site-specific-3/

      TanzLOBBY IG Tanz Zürich has been offering uncurated performance formats for years as an experimental platform for initial or innovative choreographic works. Once a year, we go out into the public space because we want to bring dance to the people together with “Zürich Tanzt”. This year, “Arche 2.0” in the “Wasserkirche” in Niederdorf offers us an ideal playground for exploring the interactions between bodies in motion, the environment and the audience. The nave of the “Wasserkirche” is currently home to a ship entitled “Arche 2.0”, which can be used in the TRYOUT! SiteSpecific to perform on and around. “Arche 2.0” was built as a symbol of our times. The ship is intended to stand for a new beginning and as an anchor of hope in times of unrest and lack of prospects.
      (more infos here: https://www.wasserkirche.ch/-4/home~2782/-aktuell- artikel~3231/arche-20/89835/)

      Participating artists will have three rehearsal days on site. On the morning of the third day, a rehearsal will take place, followed by feedback from the professional Outside Eyes Tomer Zirkilevich and a discussion with the other artists (groups). This feedback round gives the participating dance makers the opportunity to reflect their creation and try out the inputs during the performance. The performance takes place as part of Zürich Tanzt, is listed in the festival program and is open to the public.

    • Freitag 10.10.2025 15:51

      TRYOUT! SiteSpecific 17.05.25 - 15:00, Wasserkirche Zürich

      TRYOUT! SiteSpecific in Kollaboration mit Zürich Tanzt
      Eine ortsspezifische Auseinandersetzung mit der «Arche 2.0» in der Wasserkirche im Niederdorf Zürich

      Performance: 17. Mai 2025 – «Arche 2.0» Wasserkirche im Niederdorf Zürich, Zürich Tanzt
      Info: https://zuerichtanzt.ch/programm/tryout-site-specific-3/

      Die TanzLOBBY IG Tanz Zürich bietet seit Jahren unkuratierte Aufführungsformate an, als Versuchsplattform für erste oder neuartige choreografische Arbeiten. Einmal im Jahr gehen wir in den öffentlichen Raum, weil wird den Tanz gemeinsam mit «Zürich Tanzt» zu den Menschen bringen wollen. Dieses Jahr bietet uns die «Arche 2.0» in der Wasserkirche im Niederdorf ein idealer Spielplatz zum Erforschen der Wechselwirkungen zwischen Körper in Bewegung, Umgebung und Publikum. Das Kirchenschiff der Wasserkirche beherbergt momentan ein Schiff unter dem Titel «Arche 2.0», welches im TRYOUT! SiteSpecific bespielt werden darf. Die «Arche 2.0» wurde als ein Symbol für unsere Zeit gebaut. Das Schiff soll für einen neuen Anfang und als Hoffnungsanker in Zeiten der Unruhe und Perspektivenlosigkeit stehen.
      (mehr dazu hier: https://www.wasserkirche.ch/-4/home~2782/-aktuell-artikel~3231/arche-20/89835/)

      Den Teilnehmenden Künstler:innen stehen drei Probetage vor Ort zur Verfügung. Am Vormittag des dritten Tages wird ein Probedurchlauf stattfinden mit anschliessendem Feedback des professionellen Outside Eyes Tomer Zirkilevich und Austauschgespräch mit den anderen Künstler:innen(gruppen). Diese Feedbackrunde gibt den teilnehmenden Tanzschaffenden die Möglichkeit ihre Kreation zu reflektieren und gegebenenfalls die Inputs während der Performance auszuprobieren. Die Performance findet im Rahmen von Zürich Tanzt statt, ist im Programm dieses Festivals aufgeführt und öffentlich zugänglich.

    • Donnerstag 30.10.2025 22:33

      TanzLOBBY sucht dich als Vorstandmitglied :D

      Hoi Hoi hast du Lust dich im TanzLOBBY Vorstand für eine freie, starke und verbundene Tanzlandschaft zu engagieren?

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    • Mittwoch 10.06.2026 09:13

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    • Montag 11.08.2025 11:37

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    • Freitag 11.07.2025 14:00

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  • Angebot
    • TRYOUT!

      TRYOUT! ist eine unkuratierte Versuchs- und Feedback Plattform für professionelle Zürcher Tanzschaffende, die planen in Zürich zu produzieren. TRYOUT! ermöglicht Zürcher Tanzschaffenden die sich in einer Recherche befinden oder an einem konkreten Konzept arbeiten eine Plattform, um erste Ergebnisse, Problemstellungen, konzeptuelle Fragen oder Ideen vor Publikum zu erproben.

      Seit 2024 gibt es zwei verschiedene TRYOUT! Formate: Das TRYOUT! Studio, welches am 27.10.24 erstmals in der Brücki235 stattfindet und das schon bekannte TRYOUT! SiteSpecific, welches in Kollaboration mit Zürich Tanzt im Mai 2025, während des Festivals, stattfinden wird. 

      Ausschreibungen dazu sind unter AKTUELL zu finden.

       

      Das TRYOUT! Format wird momentan von der Ernst Göhner Stiftung und von Migros Kulturprozent unterstützt.

       

       

       

       

       

    • Newsletter

      Die TANZLOBBY IG TANZ ZÜRICH verschickt einmal monatlich einen Newsletter.
      Der Newsletter informiert über Workshops, Aufführungen und andere Neuigkeiten rund um den Tanz in Zürich. Mitglieder haben ausserdem die Möglichkeit über den Newsletter auf eigene Workshops, Aufführungen ect. aufmerksam zu machen. Der Newsletter erscheint jeweils Mitte Monat.

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      Möchtest du im Newsletter über eigene Worshops, Aufführungen und andere Neugigkeiten informieren? Dann schreibe uns entlang des Leitfandens eine E-Mail. 

      Leitfaden Newsletterversand

      Gerne machen wir für unsere Mitglieder mit unserem Mailversand auf Workshops, Aufführungen und andere Neuigkeiten aufmerksam. Der Newsletter erscheint jeweils Mitte Monat (fällt der 15. auf ein Wochenende, wird der Newsletter danach verschickt).

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        Bsp: Improvisationsworkshop mit Mark Muster
      • Beschreibung
        Kurzer Beschrieb des Events, ca 400 Zeichen mit Leerzeichen (Text ohne Layout).
      • Datum, Ort und Zeit des Events
      • Kontakt / Ticketinfo
      • Weblink um mehr zu erfahren 

      Wir freuen uns auf deinen Inhalt!

    • Tanznachtisch

      DIESES FORMAT IST MOMENTAN EINGESTELLT. HAST DU INTERESSE DEN TANZNACHTISCH WEITERZUFÜHREN? MELDE DICH BEI UNS: info@tanzlobby.ch

       

      Gemeinsam Stücke schauen und verdauen! Wir wollen den inhaltlichen Austausch über Stücke von Zürcher Gruppen fördern. So besuchen wir ausgewählte Stücke* und treffen uns direkt im Anschluss zu einem moderierten Gespräch. Zusätzlich schreiben unsere Moderatorinnen über das Erlebte. Vergangene Texte sind in der Rubrik "Aufführungsimpressionen" zu finden.

       

      Organisation                 Verena Weiss          

      Moderation                   Tina Mantel, Valerio Porleri

      Schreibende                 Luisa Funk (MA Musik- und Bewegungspädagogik, Studium

                                           Tanzwissenschaft Universität Bern)

                                           Mary Staub (Tänzerin, Linguistin, freischaffende Journalistin)

                                           Valerio Porleri MA Contemporary Dance Hochschule Musik und

                                           Darstellende Künste, Frankfurt a. M

                                           Tina Mantel (MA Tanzwissenschaft, Prof. ZFH)

      AUFRUF Liebe Choreograf*innen aus dem Raum Zürich, schreibt uns falls ihr bei einer eurer Aufführungen gerne einen «Tanznachtisch» hättet. Und somit Dialog/Text über und Aufmerksamkeit für Eure kreative Arbeit.
      Kontakt: tanznachtisch@tanzlobby.ch 

       

      Danke an die Ernst Göhner Stiftung und an Migros Kulturprozent für die Unterstützung.

       

       

       

    • Kulturpolitik

      Wir engangieren uns in der Zürcher Kulturpolitik. Pflegen den Austausch mit Institutionen wie der Gessneralle, dem Tanzhaus Zürich, Danse Suisse und Reso und arbeiten proaktiv in kleinen Arbeitsgruppen.

      Interesse selbst kulturpoltisch aktiv zu werden? Dann melde dich bei uns. 

      E-Mail: office AT tanzlobby DOT ch

       

      Vorstandsmitglied Julia Heinrichs hat über zwei Jahre hinweg eine Umfrage mit über 60 Mitgliedern durchgeführt.

      Bedürfnisse und Befindlichkeiten wurden gesammelt und in der Folge mit Stadt Zürich Kultur sowie den Produktionshäusern Tanzhaus und Fabriktheater Rote Fabrik Zürich besprochen.

      Stellungnahmen zu gesammelten Kritikpunkten und Wünschen seitens Vorstand und Institutionen wurden im Newsletter vom 20.2.23 veröffentlicht und sind hier nachlesbar: Ergebnisse Umfrage

    • Beratung

      Die TanzLOBBY ist per Mail erreichbar: info@tanzlobby.ch

      Bei KONTAKT kann die TanzLOBBY direkt angeschrieben werden.

    • Workshops

      Die Tanzlobby bietet Workshops für ihre Mitglieder an, die Lücken füllen im Angebot von Institutionen und Privaten.
      Wir informieren über unseren Newsletter über das aktuelle Workshopangebot. 

      Hier findest du wertvolle Weiterbildungen für Kulturschaffende von ArtFAQ:

      ArtFAQ    https://www.artfaq.ch/kurse

  • Infoportal
    • Verbände & Netzwerke

      Danse suisse - Berufsverband Schweizer Tanzschaffende
      Reso - Tanznetzwerk Schweiz 
      Tanz in Winterthur - Tanzschaffen in Winterthur 
      IG Tanz Ost - Tanzschaffen Ostschweiz / Lichtenstein 
      Tanzbüro Basel - Tanzschaffen Region Basel
      IG Tanz -  Tanzschaffen Region St. Gallen
      BETA - Tanzschaffen Region Bern
      IGTZ - Tanzschaffen Region Zentralschweiz
      AVDC - Tanzschaffen Region Lausanne
      RP - Tanzschaffen Region Genf
      Action Danse - Tanzschaffen Region Fribourg
      SSDUK - Umschulungsstiftung

    • Institutionen
       
      Tanzhaus Zürich 
      Rote Fabrik Zürich 
      Theaterhaus Gessnerallee 
      Theater Neumarkt 
      Kulturhaus Helferei 
      Kulturmarkt Zürich 
       
    • Machtmissbrauch

       

      Danse Suisse, Code of Conduct für den Tanzunterricht:

      https://dansesuisse.ch/de/news/2021-06-25_CODE-OF-CONDUCT

       

      Fairspec, Initiative zur Etablierung ethischer Richtlinien und Arbeitsweisen in der Freien Szene:

      https://www.fairspec.ch/

       

      Szene Schweiz, Leitfaden für Betroffene und anonyme Meldeplattform:

      https://szeneschweiz.ch/dienstleistungen/machtmissbrauch/

    • Plattformen
      SHOW OFF - Kurzstückplattform Tanzhaus Zürich 
      TRYOUT! - unkuratierte experimentier Plattform TanzLOBBY IG TANZ ZÜRICH
      PREMIO - Nachwuchspreis für Tanz & Theater Zürich 
       
       
       
    • Festivals

      Zürich Moves - Festival für zeitgenössischen Tanz im Tanzhaus
      Theater Spektaktel - Festival für Theater und Tanz
      Festspiele Zürich - Festival für Theater und Tanz
      Tanzfest - Festival für Tanz in über 30 Städten der Schwez
      Zürich tanzt!- Das Tanzfest in Zürich 
      Tanz Festival Winterthur - Festival für zeitgenössischen Tanz

    • Tanzförderung

      Stadt Zürich Kulturförderung Tanz  städtische Förderung 
      Kanton Zürich Kulturförderung Tanz  - kantonale Förderung 
      Pro Helvetia Kulturörderung Tanz  - nationale und globale Förderung 

      Fundraiso - Suchportal für Stiftungen 
      Stiftung Schweiz - Suchportal für Stiftungen 
      Kulturförderung - Suchportal für Stiftungen 

       

    • Produktion

      ArtFAQ - kostenlose Produktionsberatung 

    • Profitraining
      ZÜRICH
       
      Tanzhaus Zürich - Zeitgenössisch, Ballett 
      Tanzwerk 101 - Zeitgenössisch, Ballett, Conemporary Jazz  
      Opernhaus Zürich - Ballett 
      Off Dance - Ballett, Zeitgenössisch
       
      SCHWEIZWEIT
       
      Nationaler Kalender für Profitrainings
       
       
    • Proberäume

      Kulturhaus Helferei 

      Rote Fabrik Zürich

      Jugendkulturhaus Dynamo

      OFF DANCE

      Brücki235

    • Ausbildung
       
      Master Dance Choreography - ZHdK 
      Bachelor Contemporary Dance - ZHdK 
      Klassisch - akademische Tanzausbildung Tanzakademie Zürich - ZHdK
      Bachelor Urban & Contemporary - Dance HF Bühnentanz 
       
       
       
       
    • Vorsorge & Rechtliches
      Cast - Pensionskasse für freischaffende KünstlerInnen
      Schweizer Bühnenkünstler Verband SBKV - rechtliche Beratungen
      Dance Transition - Schweizerischer Verband für die Neuorientierung professioneller TänzerInnen
      Kulturmarkt Coaching & Weiterbildung - Arbeitslosenzeit konstruktiv und produktiv genutzt
      SSUDK - Schweizerische Stiftung für die Umschulung von darstellenden Künstler*innen
       
  • Über
    • Verein

      Geschichte - TanzLOBBY IG Tanz Zürich 
      Leitbild - TanzLOBBY IG Tanz Zürich 
      Statuten - TanzLOBBY IG Tanz Zürich 
      Jahresbericht - TanzLOBBY IG Tanz Zürich 

      Kontonummer: Zürcher Kantonalbank, IBAN: CH81 0070 0110 3022 6289 0

    • Vorstand

      Marie Alexis – Ressort: Newsletter, Politik & Vernetzung
      E - Mail: office AT tanzlobby DOT ch

      Aline Perino – Ressort: Social Media, Newsletter, Webseite, TRYOUT!
      E - Mail: socialmedia AT tanzlobby DOT ch

      Isabella Crescini – Ressort: Buchhaltung, Mitgliederwesen
      E - Mail: admin@tanzlobby.ch

      Julia Heinrichs – Ressort: Politik & Vernetzung, TRYOUT!
      E - Mail: info AT tanzlobby DOT ch 

       

       

       

       

    • Mitglieder*innen
      Alexandra Bachzetsis - Choreographer & Visual Artist
      Andrea Maciel - Choreographer, dancer & teacher
      Angela Stöcklin - Tänzerin & Choreografin 
      Anne - Sophie Fenner - Choreografin
      Bettina Holzhausen - Choreografin, Tanzvermittlerin
      Brigitta Erismann - Tanzpädagogin 
      Brigitta Schrepfer - Tänzerin, Choreografin & Dozentin 
      Bruno Catalano - Tänzer, Choreograf 
      Cecile Baumann Arnold- Tänzerin & Therapeutin in Alexander Technik 
      Christiane Loch - Tänzerin, Darstellerin, Choreografin & Tanzpädagogin 
      Daniel Hellmann - Tanz - & Theaterschaffender, Sänger, Performer 
      David Schwindling - Tänzer & Choreograf 
      Did Schaffer - Choreografin
      Dorothea Rust - Performerin, Interpretin, Organisatorin 
      Gaetano Sibilia - Tänzer & Choreograf 
      Guillaume Guilherme - Vermittler & Performance Künstler 
      Isabella Crescini - Tänzerin, Choreografin, Pädagogin
      Judith Koch - Tanzschaffende, Pädagogin, Ethnologin 
      Julia Medugno - Tänzerin, Choreografin & Pädagogin 
      Ladina Bucher - Flamencotanz, Tanzwissenschaft, Naturheilkunde
      Lyn Bentschik - Tänzer*in & Performer*in & Choreograph*in 
      Mansoureh Aalaii - Medical Doctor, Dancer and Choreographer
      Margret Spaar - Tänzerin, Choreografin, Pädagogoin 
      Marie Alexis - Tänzerin, Performerin & Choreografin 
      Marine Besnard - Tänzerin & Choreografin
      Martin Schick- Performer, Performance - Macher, Choroegraf, Kurator, Autor & Aktivist
      Nadine Schwarz - Tänzerin & Choreografin 
      Nadine Sieber - Tänzerin, Choreografin & Pädagogin 
      Ronja Römmelt - Video- und Performancekünstlerin, Tanzwissenschaftlerin
      Sandra Zurfluh - Tänzerin & Choreografin
      Silvano Mozzini- Tänzer, Darsteller, Choreograf & Tanzpädagoge 
      Simone Aughterlony - Choreografin & Performancekünstlerin
      TeKi TeKua - Companie 
      Thomas Péronnet- Bewegungskünstler, Choreograf, Poduktionsmanager, Initiant
      Tina Mantel - Tänzerin, Choreografin & Pädagogin 
      Valerie Reding - Tänzerin & Choreografin 
      Verena Weiss - Choreografin & Konzepte
      Aline Gia Perino - Tänzerin, Tanzpädagogin & Choreografin

      Bist du Mitglied bei der TanzLOBBY und möchtest deine Tanzschaffen vorstellen?
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      Wir freuen uns über deinen Beitrag!

      Die Mitglieder der TanzLOBBY erhalten eine Vergünstigung von CHF 50.– auf dem jährlichen Mitgliederbeitrag von Danse Suisse 


       

  • Aufführungsimpressionen
    • Lea Moro – Sechs Schwestern

      Lea Moro – Sechs Schwestern
      So. 10. November 2024, Tanzhaus Zürich


      Künstlerische Leitung, Konzept, Choreografie, Text: Lea Moro
      Performance: 
Emmilou Rößling, Lau Lozza und Minh Duc Pham
      Szenografie: Lisa Biedlingmaier
      Kostümbild: Josefin Kwon
      Ton: Andrés Bucci aka Future Legend

      Tanznachtisch Moderation: Verena Weiss

      Text: Luisa Funk



      «Seltsam entrückt das Ganze» mit diesem Satz beendet die Autorin dieses Textes ihre Notizen zum Stück Sechs Schwestern. Und dieser Satzes soll der hier folgenden Aufführungsimpression als Leitmotiv dienen, über die aktuelle Arbeit der Schweizer Choreografin Lea Moro nachzudenken.
      Beginnen wir mit einer kurzen Beschreibung dessen, was sich innerhalb der 60 Minuten auf der Tanzhaus Bühne 2 am Sonntag, 10. November abgespielt hat.
      Die Zuschauenden sitzen zu vier Seiten auf mehrstufigen Podesten um einen quadratischen Bühnenraum, auf welchem sich bereits beim Einlass Materialen befinden: Eine durch unterschiedliche Knoten-  und Seilformen zusammengehaltene, von der Decke herabhängende Seil-Wand, mehrere dick verknotete Seilstränge in knalligem Blau und Orange, aber auch kleine schwarze Schnüre, für die Zuschauenden in greifbarerer Nähe, die zum anfassen und oder knüpfen einladen. Eine Schüssel mit Teig steht auf einem der Podeste, auf denen auch grosse grauen Kissen liegen.
      Die meiste Zeit der ca. 60- minütigen Performance knoten Emmilou, Duc und Lau die dicken, farbigen Seile mit kraftvollem Griff an verschiedenen Orten des Bühnenraums zu noch längeren Strängen stetig weiter. Immer mal wieder verändern sie ihre Positionen, suchen einen neuen Ort, um sich wieder niederzulassen, weiter zu arbeiten, weiter zu sprechen, immer ähnlich besonnen, immer ähnlich vertraut. Nur für kurze Momente wird der Modus des Alltäglichen – sprechen, sitzen, knoten, oder laufen – verlassen, dann wird mehrstimmig gesungen, oder einstimmig zusammen getanzt. Rar gesetzt sind diese Momente des poetischen Kommentars, aber sie beflügeln, wenn auch kurz, das Geschehen, die ansonsten gedämpfte, zuweilen lethargische Grundstimmung im Raum. Aufrecht erhalten wird diese auch durch eine sogenannte offene Audiodeskription, dem vorherrschenden formalen Prinzip dieser Arbeit. Die auf zwei Seiten der vier Bühnenwände in Englisch und Deutsch projizierten Texte werden von jeder der PerformerInnen live mitgesprochen. Diese Art der Sprache, sanft und beiläufig artikuliert, oft mit gesenktem, da auf die Arbeit konzentrierten Blick legt sich wie ein Film über das Stück. Wie auch die sich wiederholende Tätigkeit des Knotens, bringt das formale Sprechen einerseits eine verbindende Ruhe zwischen den Agierenden, und für mich als Zuschauende gewissermassen eine wiederkehrende Bestätigung meines Daseins im Vollzug der Aufführung, im Live-Moment, im Hier und Jetzt. Gleichzeitig aber hüllt es das Geschehen kokon-artig ein, lässt es so, wie eingangs beschrieben, zu einem entrückten Ganzen werden.
      Zwischen dem kommentierenden Sprachnetz der offenen Audiodeskription hören wir Fetzen von Unterhaltungen, beispielsweise über das Grauen und das Glück des Lebens, über Sinn und Zweck der Arbeit, über Trost und Frust alltäglicher Wiederholungen. Hier spannen sich feine Fäden zum Original Tschechows.
      Auch Sätze der Zuneigung werden ausgetauscht, jedoch ohne sich dabei der adressierten Person auch körperlich zuzuwenden. Sätze wie Ich liebe dich rücken dabei gewissermassen ins Unbedeutsame und verlieren sich angesichts stetig weiter arbeitender Hände im Fluss kontinuierlicher Tätigkeiten.
      Raum-konstituierende Sätze wie ‹Ein Fenster an der Wand›, ‹Das Tor zu einer anderen Welt›, ‹Ein Draussen› untermauern, auch räumlich, den Eindruck des Entrückt-seins. Zwischenzeitlich verlagert sich das gesprochene Wort ins Off, distanziert sich zum live Gesprochenen auf der Bühne, weitet so für Momente den begrenzten Raum.
      Das Endbild des Stückes erzählt dann folgendes: Die drei PerformerInnen sitzen im Kreis, und essen zusammen Butterbrote, vertraut gesellig, dann wird es dunkel.
      Und damit beginnen die Fragen: Was hat das Aufeinandertreffen der sich stoisch wiederholenden und stetig aufs Hier und Jetzt referierenden audiodeskriptiven Sprachhandlungen mit Themenfetzen des Tschechowschen Stücks von 1901 mit mir als Zuschauende gemacht?
      Was bedeutete Solidarität unter Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Und wie versteht sich Verschwesterung heute? Welchen Weg sind wir gegangen mit diesem Thema und was hat sich verändert? Was sind gegenwärtige Transformationsmöglichkeiten, hin zu (noch) mehr Verschwesterung, im Privaten, wie im Öffentlichen?
      Den Aspekt der Verschwesterung, in einem fürsorglichen, dem/der anderen zur Seite-stehenden, in einem verbindenden Sinn, verfolgt das Stück mit einer sorgsamen Grundstimmung. Dies auch durch den stetig behutsamen Umgang der Agierenden untereinander, dem gemeimsamen Lamentieren,- wie auch dem hoffnungsvollen Träumen über das Leben, dem Verbunden-sein im alltäglichen Tun, aber auch und vor allem in Anbetracht einer konsequent umgesetzten offenen Audiodeskription. Auf der Website der Künstlerin, im sogenannten Zine (einer kleinen feinen Publikation zum Stück) findet sich eine geballte Ladung an Referenzen und Information, also Anknüpfungspunkte zu den im Stück aufgeworfenen Themen: das Knoten, das Arbeiten, das Zusammensein (als Frauen), die Sprache und vieles mehr. Überhaupt nicht entrückt, aber konkret, aktuell und politisch motiviert. Dabei auch das Transformationspotential von Kunst ganz allgemein bedenkend. Zum Beispiel so:
      «Die Utopie [...] verlangt nicht nur die Veränderung der gegenwärtigen Welt im Sinne der heute Lebenden, sondern zugleich die Veränderung der heute Lebenden im Sinne der zukünftigen Welt.» Bini Adamczak, Beziehungsweise Revolution – 1917, 1968 und kommende (2023)[1]

      Deshalb auch die Frage, warum es das Stück, die szenische Umsetzung also, das was dezidiert öffentlich gemacht wird, nicht ein wenig weiter raus aus dem Dasein dieser hier behaupteten Entrückung geschafft hat, raus aus dem Kokon, rein in eine Auseinandersetzung mit dem was Verschwesterung heute – mit Tschechow im Gepäck – mit uns machen könnte.

      Luisa Funk

       

      [1]    https://www.leamoro.com/perch/resources/projects-pdf/zinesechsschwestern.pdf.

       
       
    • Cie LaRonde «4x Rousseau»

      Performance «4x Rousseau»
      Kulturhaus Helferei Zürich, 5.05.2024 im Rahmen von Zürich tanzt
      Künstlerische Leitung: Ishan Rustem
      Tanz: Dario Dinuzzi, Egon Gerber, Giulia Esposito, Nora Brown, Dario Rigaglia, Sarafina Beck, Wittha Tonja, Angelina Pico
      Choreografie: Caroline Finn, Ihsan Rustem, Luca Signoretti, Sarafina Beck
      Produktion: La Ronde https://www.cielaronde.com/4xrousseau?lang=de

       

      Aufführungsimpression Tanznachtisch der TanzLOBBY IG Tanz Zürich
      Text: Verena Weiss


      Die Aufführung im Kulturmarkt Zürich präsentiert vier zeitgenössische Choreografien von vier Choreograf*innen, die sich in CO-Kreation mit spezifischen choreografischen Handschriften auszeichnen. Sie sind etwa 20 Minuten lang und gehen fließend ineinander über. Wir befinden uns im Aufführungssaal des Kulturmarkts, die Bühnensituation ist klassisch ausgerichtet mit Zuschauertribüne.

      Die Telefonzelle

      Wir schauen auf eine Wandfläche, die an eine Telefonzelle in New York erinnert, und werden in eine surreal und konspirativ anmutende Szene mitgenommen. Wir werden Zeuge eines Telefonats, eine erregte Stimme (Tonaufnahme) erzählt von Überwachung und Paranoia, ein Tänzer entlädt ruckartige und virtuose Bewegungen unter großer Körperspannung in den Raum. Er verkörpert dies unsichtbaren Mächte. Weitere Tänzer*innen nehmen diese auf, vibrierende Hände stecken in Paarbegegnungen ihr Terrain ab, stets auf der Hut. Ihr Körper drückt den Wunsch nach dem “Desire for the good“ aus. Der Satz “This is mine“ ertönt und deutet an, dass die Gier jederzeit alles zerstören kann. Elemente des Tanztheaters werden sichtbar und ziehen sich durch den Abend. Der Tänzer Dario Dinuzzi agiert als pantomimisch-darstellerische Erzählfigur, die durch die Szenen führt. Er etabliert diese und gibt ihnen einen poetischen Stimmungsrahmen, etwa durch einen speziellen Gang und Gestik und die Verwendung von Requisiten, wie einen riesigen roten Rosenstrauss.

      Bühnenbild und Musik

      Das Bühnenbild von Renê Salazar stellt eine aufklappbare Wandfläche dar, die sich durch Interaktion der Tänzer*innen ständig wandelt und uns in neue Settings mitnimmt - von einer Telefonzelle in New York zu einer traumwandlerischen, abstrakt betanzbaren Fläche zu einer undurchdringbaren Wand. Die Komposition oder der Soundteppich von Alexandre Dai Castaing enthält gebrochene Hip-Hop- Elemente, bedrohliches Rauschen, Atem- und Schreibgeräusche, die sich zu einem von Trommeln begleiteten Rhythmus steigern. Unterstützt von Streichinstrumenten und immer wieder Gesang, der die Klage und Pein des "Body of conflict" vielschichtig instrumentiert.

      Urban Dance meets Contemporary

      Die zweite Choreografie präsentiert eine Tanzsprache aus dem Urban Dance-Bereich, die sich mit lesbaren Ästhetiken des Contemporary Dance paart. Wieder entstehen theatrale Bilder, wobei ein Koffer und Bücher als Requisit die Vereinzelung der Individuen symbolisieren könnte. Eine Geschichte von Büchern und Kobold-ähnlichen Figuren wird erzählt. Diese fallen sich nach getanzten Kampfszenen im gebrochenen Robot-Stil immer wieder erlösend in die Arme. Der Konflikt der Vereinzelung wird durch die Gruppe hervorgebracht, welche synchron getanzte Sequenzen in räumlicher Distanz zum Individuum festlegt. Zuckende Extremitäten, gebrochene Spannungen- teilweise haben die Tänzer die Augen geschlossen, als wollten sie sich von dieser Intensität distanzieren und nicht wahrhaben, was sie ausdrücken und sich innerlich ausleeren. Ein Napoleonhut wird als Symbol für Macht spielerisch eingesetzt und wechselt die Köpfe. Am Ende bleibt ein Bücherturm übrig, dieser könnte den andauernden Prozess des Schreibens und Verwerfens des Schriftstellers symbolisieren.

      Macht und Unterdrückung

      Aus dem Chaos bleiben zwei Tänzer übrig. Die dritte Arbeit beginnt mit einem imposanten Bild: Ein fast nackter Männerkörper fällt aus dem Mantel der Erzählerfigur, die unmerklich verschwindet und diesen Körper zurücklässt. Die Musik schwillt zu einem bedrohlichen Rauschen und Klagegesang an. Das Gesetz der Macht in Krawatte, alle gegen einen wird hier in seinen Formen ausgereizt, die Gruppe erscheint autoritär. Die Spannung zwischen zwei Männern wird im Duett thematisiert und durch abstrakte und nonverbale Kommunikation sichtbar. Wer behält die Oberhand - der "Manipulierte" oder der Unterdrücker? Die "schwächere Figur" fordert den Unterdrücker heraus, integriert sich dann aber in die Gruppe. Gibt er auf und akzeptiert, der Spielball der Mächte zu sein? Dieses Stück ist nur mit männlichen Tänzern besetzt, die verwendete Tanzsprache lässt sich als elegant und animalisch anmutend beschreiben. Die Choreografie (Ihsan Rustem) zeichnet ein Bild von Macht, Unterdrückung und dem ewigen Kampf um Kontrolle, dargestellt durch eine Gruppe von Männern, die in ihrer Körperlichkeit sowohl Stärke als auch Grazie ausstrahlen.

      Der verzweifelte Autor

      Der Autor kommt uns in den Sinn und wir hören ihn schreiben. Vier Männer und eine Frau verkörpern eine kriegsähnliche Stimmung und Zustände der Pein werden hingebungsvoll getanzt. Die herausragende Tänzerin Nora Brown tanzt mit großer Sensibilität und "gebärt" symbolisch Bücher. Dies könnte den Umstand repräsentieren, dass der Autor seine Kinder weggeben musste oder gezwungen war, sich von ihnen zu trennen. Ist dies dem Umstand geschuldet, dass der Autor seine Kinder weggeben hat/ musste? Am Ende bleibt ein Walzerschritt.

      Tanznachtisch und Diskussion nach der Performance

      Die Frage, ob bestimmte Darbietungen als Tanztheater gelten, wurde kontrovers diskutiert.
      Es wurde über den Zeitgenössischen Tanz und sein Ästhetik Verständnis nachgedacht.
      Eine Teilnehmerin stellte während des Austauschs die Frage, was ein "dysfunktionaler Körper" sei. Die Verwendung des Napoleonhuts als Requisit wird kritisiert. Der Grund dafür ist, dass Rousseau im Jahr 1712, im Jahrhundert der Aufklärung geboren wurde und somit nicht die Epoche Napoleons (Anfang des 19. Jahrhunderts) repräsentiert.
      Wiederkehrend stellt sich die Frage, inwiefern Tanz, der auf emotionaler oder sinnlicher Ebene rezipiert wird, die Inhalte und/oder die Biografie Rousseaus darstellbar machen kann. Der nonverbale Tanz, der sich einer rezipierbaren Ästhetik verschreibt, birgt die Gefahr in die Banalität abzugleiten oder Klischees zu bedienen. Andererseits bietet er den Vorteil, den oft als "Stiefkind der darstellenden Künste" wahrgenommenen zeitgenössischen Tanz für ein breiteres Publikum zugänglich und wahrnehmbar zu machen. Die Performance lotet diese Pole immer wieder aus und besticht durch Tänzerpersönlichkeiten auf hohem Niveau.

    • Theater HORA: SACRE!

      Annina Machaz, Theater HORA, Teresa Vittucci: SACRE!

      Samstag, 02. März 2024, 18:00 Uhr, Tanzhaus, Swiss dance Days 2024

       

      Inszenierung: Annina Machaz, Teresa Vittucci

      Spiel: Andy Böni, Matthias Brücker, Cécile Creuzburg, Matthias Grandjean, Frank Häusermann, Annina Machaz, Lucas Maurer, Serafin Michel, Teresa Vittucci

       

      Aufführungsimpression nach Tanznachtisch

      "SACRE!", ein Stück des Theaters HORA in Koproduktion mit dem Tanzhaus Zürich , inszeniert von Teresa Vitucci und Annina Machaz, das 2022 in Zürich uraufgeführt wird, bereichert das Programm der Swiss Dance Days, die dieses Jahr in Zürich stattfinden. Die Hauptdarsteller*innen gehören dem Theater HORA an, dessen Arbeit sich auf das “HORA-Ensemble, in dem ausschliesslich Schauspieler*innen mit einer IV-anerkannten kognitiven Beeinträchtigung arbeiten"[1] konzentriert. Annina Machaz spielt auf der Bühne. Teresa Vittucci ist leider verletzt und kann an diesem Tag nicht auftreten.

      Inspiriert von „Le sacre du printemps“ aus dem Jahr 1913 (Choreografie: Vaslav Nijinsky, Musik: Igor Strawinsky) ist “SACRE!” mal bissig, mal nachdenklich, aber im Gegensatz zum Original humorvoll. Der Hinweis auf den historischen Skandal, den das Stück bei seiner Uraufführung 1913 auslöste, als das Publikum die musikalischen Neuerungen Strawinskys nicht akzeptierte, ist ebenfalls zu spüren. In ähnlicher Weise provoziert der nackte Körper von Annina Machaz, der zu Beginn der Aufführung auf dem Boden liegt, als das Publikum eintritt, eine skandalöse Reaktion der anderen Darsteller, die verkleidet in der ersten Reihe sitzen. Während sich der nackte Körper bewegt, beginnen die Darsteller, Kleider auf das arme Opfer zu werfen, das gezwungen ist, sich unter der Beleidigung anzuziehen. Ein Höhepunkt an Spannung und Intensität gleich zu Beginn der Vorstellung. Und wird sofort unterbrochen durch den lustigen Auftritt der HORA-Ensamble auf der Bühne zur Musik der Backstreet Boys.

      Die Aufführung bietet Humor, der zum Teil durch die geschickte Verwendung von Strawinskys Originalmusik bestimmt wird, mit Zusätzen wie Schüssen oder Husten, vielleicht aus aktuellem Anlass (COVID, Krieg). Vor allem aber kann das Publikum ein interessantes und breites Spektrum an Bewegungsqualitäten geniessen. Einige Bewegungen sind von Nijinskys Original inspiriert, aber zeitgenössischer ausgeführt, wobei der Schwerpunkt mehr auf der körperlichen Spannung als auf der ästhetischen Form liegt. Hinzu kommt das Element der Groteske, das die Darsteller durch selbst entworfene Masken, die an den Dadaismus erinnern, auskosten. Interessant ist auch die szenografische Umsetzung des Stückes: ein riesiger Mund, der durch Video und einen roten runden Teppich nachgebildet wird. Oben am Vorhang hängt ein Objekt, das das Gaumenzäpfchen darstellt, auf das die Schauspieler während der Aufführung immer wieder schlagen, wenn sie in den "Mund" hinein- und herausgehen.

      Nach der Vorstellung im Foyer des Tanzhauses herrscht eine entspannte und fröhliche Stimmung. Das Publikum wartet darauf, ein T-Shirt oder ein Poster des Theaters HORA zu erwerben, für das die Künstler am Ende der Vorstellung auf sympathische Weise werben und dessen Erlös in einen Ausflug in den Europa-Park für die Künstler selbst fließt. Diese sympathische "Spende" wird zu einer kleinen Plattform für unseren in diesem Sinne ungewöhnlichen, fast persönlicheren und spontaneren Tanznachtisch, bei dem Verena Weiss, Leiterin und Organisatorin des Tanznachtischs, und ich in der Nähe des T-Shirt-Verkaufs nach Formen des Dialogs suchen. So kommen wir mit Teresa Vittucci ins Gespräch, die wegen einer Verletzung leider nicht auftreten konnte. Sie erzählt von der genauen Planung während der Erarbeitung und der Probenzeit des Stückes. Sehr interessant ist auch der Austausch mit einer der Darstellerinnen, Cécile Creuzburg, und ihren Eltern am Ende der Vorstellung. Sie beschreiben einige Unterschiede zu früheren Inszenierungen des Stückes, wie z.B. die bessere Ausdehnung und Flüssigkeit der Bewegungen im Vergleich zu früheren Aufführungen.

      Eine Performance, in der sich intensive und amüsante Momente auf sehr detaillierte und künstlerisch raffinierte Weise abwechseln. Volles Haus, gute Stimmung - eine Aufführung im Rahmen der diesjährigen Swiss Dance Days, die das Publikum entzückte.

       

      Verfasst von Valerio Porleri für die TanzLOBBY IG Tanz Zürich.

       

      [1] https://hora.ch/hora-identitaet/

    • things veer (2023)

      9.11.’23 Aufführungsimpressionen TanzLOBBY IG Tanz Zürich

      Cosima Grand - things veer

      Do. 9. November 2023, Tanzhaus Zürich
      Konzept & Choreografie: Cosima Grand
      Co-Choreografie & Performance: Hanna Hedman, Nina Richard, Emma Saba, Roger Sala Reyner
      Komposition: Demi Jakob
      Tanznachtisch Moderation: Verena Weiss
      Text: Luisa Funk

      Futuristisch mit archaischem Unterton
      In die gespannte Anfangsstille und ins Bühnendunkel bricht sich folgende Geräuschkulisse bahn: ein unregelmässig pulsierendes Knacken, technoid, als ob eine Stromleitung pocht, aber doch auch rhythmisch genug, einem Herzschlag zu ähneln. Kommt Licht ins Dunkel sehen wir langsam, nacheinander vier PerformerInnen (Hanna Hedman, Nina Richard, Emma Saba, Roger Sala Reyner) durch die Zuschauerreihen hindurch die Bühne betreten. Suchend und doch erhaben, vor allem im Blick; dem eigenen Pochen auf der Brust folgend. Alle tragen, direkt auf nacktem Oberkörper, kleine, runde Lautsprecher, multiple mobile Soundquellen also.
      Die enge Verbindung von Technik und (nackten)- Körpern eröffnet ein faszinierendes Ausagieren des Begriffes ‚Klangkörper‘. Und wirft Fragen auf: was sind das für Wesen, und in was für einem Universum werden sie uns präsentiert? Futuristisch mutet es an gleichwohl archaisch. Und tief menschlich geht es zu und her. Mit vielen Facetten. Stetig entlang der Pole Struktur und Chaos.
      Die Geräuschkulisse wird im Verlauf des Stückes breit aufgefächert. Abstraktes, wie zu Beginn, mischt sich mit akkordischen Harmonie-fetzen oder später, von den PerformerInnen live gesungen, mit Brumm und Schmerztönen verschiedener Couleur, und mit Bruchstücken bekannter Schweizer Popmusik (Komposition: Demi Jakob). Dazwischen auch: Stille und viel Nachklang.

      Subtiler Sog                                                                                                                                                             In einer langgezogenen Anfangssequenz nähern sich Wege, Tempo und Puls der vier PerformerInnen sukzessiv an. Weitgehend unbemerkt verfallen sie einem Sog, der sie allesamt in ein und dasselbe Bewegungsmuster katapultiert. Im Gleichschritt und dicht beieinander laufen sie, die Körper jeweils zur selben Seite ausgerichtet ihre Bahnen auf einem Viereck. Jeder Richtungswechsel wird mit einem (Schritt-)Impuls bei gleichzeitiger Neuausrichtung der Laufrichtung akzentuiert. Gegangen wird auf dem nun gleichmässigen Puls des Sounds. Die Gleichförmigkeit und mehrfachen Wiederholungen dieser Bewegungssequenz bündeln den Fokus und werfen mich als Zuschauende in einen Zustand gespannter Ruhe. Einmal mehr erkenne ich, dass bei aller Liebe für Dissonanz und für Chaos, es die (wohldosierte) Struktur, der Gleichklang und die simple Wiederholung von organischen Abläufen ist, die positiv räsoniert in meinem Kopf und in meinem Körper. Die Reprise dieser Sequenz an anderer Stelle im Stück umso mehr, als es nach Phasen grösserer Strukturlosigkeit die Formen wieder zusammen zu bringen vermag. In diesem Wechsel aus Struktur und Chaos, das sich sowohl auf bewegerischer, wie auch auf akustischer und atmosphärischer Ebene abspielt mäandert das Stück über 60 Min. eigenwillig betörend hinweg.

      An den Klang anlehnen
      Rennen, stoppen, kreiseln mit weit ausgestreckten Armen, Sprünge fest in den Boden hinein. Das sind wiederkehrende Elemente des Bewegungsvokabulars. Und oft ist es auch nur ein Stehen, oder ein gekrümmtes Liegen und Nachspüren. Einem Klang, einer Atmosphäre, einer Präsenz eines anderen Körpers. Der Bezug der agierenden Körper untereinander ist unauffällig, nicht explizit und doch hochgradig präsent. Diese Wesen inspirieren und ergänzen sich. Deutlich wird dies in der Entwicklung von Bewegungssequenzen, die oft dadurch zustande kommen, dass ein Motiv des anderen aufgenommen und subtil transformiert wird. Eine Hand, ein Arm, ein Richtungswechsel. Aber ebenso sind sie äusserst autonom, in-sich-ruhend auch in emotionalen Ausnahmezuständen. Ins Auge sticht dabei eine Szene aus der sogenannten gelben Phase des Stücks im zweiten Teil. Dort stehen die Performenden dicht zusammen in einer der vier Ecken des quadratischen Bühnenraums (Das Publikum sitzt, die Spielfläche begrenzend zu vier Seiten, in jeweils nur einer Reihe): verzerrtes Jaulen, zähe Schreie. Jede und jeder kehrt hier individuell und hochemotional das Innerste nach aussen und steht doch- wenn auch deutlich ohne Blick,- oder aktivem Körperkontakt - in enger Verbundenheit mit allen.
      In dieser Mischung aus Autonomie und Verbundenheit (mit sich, mit anderen, mit der Zukunft, mit der Vergangenheit) liegt vielleicht das utopische Moment dieses Stückes. Es zeigt uns ein Miteinander in subtilster Verbundenheit, ein Offen-sein für Resonanz, auch wenn das das absolute Taumeln und Straucheln bedeutet, wenn es (zu) laut wird, wenn es schmerzt. Und, dass die grossen Bahnen, das gemeinsame Laufen darauf, die schlichte Form also, die Emotion zu bündeln vermag.
      Im gut besuchten Nachgespräch unter der Moderation von Verena Weiss wurde deutlich: das Stück hat fasziniert! Sowohl in seiner Sound-spezifischen Disposition, dem Aushandeln vom Miteinander, wie auch im Aufwerfen bewegerischer, stimmlicher und atmosphärischer Parallelwelten.

    • last things remaining (2023)

      Performance «last things remaining»

      Kulturhaus Helferei Zürich, 24.11.2023

      Künstlerische Leitung: Mirjam Sutter
      Tanz: Zain Saadeh, Angela Nassar, Caesar Abumariam, Hanna Tams

      Co-Production: Ramallah Contemporary Dance Festival

       

      Aufführungsimpression Tanznachtisch der TanzLOBBY IG Tanz Zürich

      Text: Verena Weiss

      Wir sehen ein mit Säulen eingegrenzten Bühnenraum, in dem Kartons und kleine Haufen ordentlich zusammengefalteter Kleider platziert sind. Vier Tänzer*innen betreten energischen Schrittes den dunkel gehaltenen Bühnenraum und legen sich unter ein riesiges Fallschirmtuch. Wir hören knallähnliche Störgeräusche, als würde die Musikanlage kaputt gehen. Direkt sind wir eingestimmt, um was es hier geht. Konflikte,…wo sind wir? In einer Kapelle. Die Hände und Körperteile der Tänzer*innen sind unter dem durchsichtigem Stoff mit Stirnlampen beleuchtet und drücken sich fratzenähnlich aus. Ähnelt dies einer Leibesvisitation, wie sie am Flughafen stattfindet, wie uns die Tänzerin Angela später im Gespräch berichtet? Die Tänzer*innen steigen mit schwerem Atem aus und wir sehen sie verhüllt mit Palästinensertuch, Gasmaske und einer religiös anmutenden Verhüllung. Diese Symbole tun ihre Wirkung, Hitze, Wüste, Krieg?... In Volkstanz Ritualen und Bewegungsmustern aus Kreistänzen wird die menschliche Identität zelebriert. Dabke, der traditionelle palästinensische Tanz fusioniert hier mit zeitgenössischem Tanz. Dies drückt sich in Solos und verketteten Körper Formationen aus, die einerseits Zusammenhalt ausdrücken und darin einknicken, andererseits immer wieder ausbrechen ins individuell Befreiende. 

      Die Choreografin https://www.acces-a-la-danse.com ist Schweizerin und seit 20 Jahren in Israel und Palästina tätig als Tänzerin, Tanzpädagogin und Choreografin und vertraut hier auf den Körper als erzählendes Instrument. Sie provoziert mit der Aussage nebst den Tänzer*innen, die rufen: “I am palestinian“. Terrain und Abgrenzung ihrer unterschiedlich legitimierten (Pass)Identitäten werden durch aufgemalte Kreidekreise markiert. Kartons werden durch Wurfbewegungen zum Leben erweckt, Stimmen rufen Identitätsbekundungen in den Raum und starke Körper Energie wird freigesetzt. Stellen die Kartons hier Care Pakete dar, und sind sie eine Anspielung auf die internationale Hilfe, welche Palästina lange schon in Unfreiheit und Abhängigkeit leben lässt?

      Das folgende Solo des Tänzers Hanna ist angetrieben von der Sehnsucht nach Freiheit, er hält symbolhaft ein Bündel Luftballons in den Händen. Dynamische Körper-Verstrickungen und das Ringen mit sich selbst entladen sich in einem Kampf ähnlichem Spiel mit der Schwerkraft. Die Zuschauer sind beeindruckt und einige klatschen zu orientalischer Musik mit. Sie besteht zu großen Teilen aus elektronischer Musik und wurde von dem in Marrakesch lebenden Musiker Abdellah M. Hassak für die Performance kreiert.

      In den Gesichtern der Tänzer*innen ist jetzt Lebensfreude wahrzunehmen, ihr Tanz gleicht einem Tanz auf dem Vulkan, ist dies als eine Gratwanderung zwischen Untergang oder Fortbestehen der Enklave zu lesen? Die krisenhafte getanzte Zerrissenheit hört erst auf mit einem lauten Schrei. Cut.

      Ein junger Mann bewegt sich anmutig mit an Seilen gefesselten Handgelenken. Er tanzt ambivalent zwischen weiblich anmutenden Schulter-Hüftbewegungen und virtuosen Sprüngen und wird dann zunehmend von seinen “Aufpassern“ kontrolliert, die an ihm zerrend, seinen Körperwiderstand schwächen. Als die “Zähmung“ seiner Peiniger nicht funktioniert und sich die Sinnlosigkeit von Gewalt einstellt, löst sich die Szene auf und er hält einfach inne in Akzeptanz dieser (Selbst)Zähmung. Das Bild: “Der Mensch im Spielball der Mächte“, drängt sich auf. Die Szene wird instrumentiert durch ein Gedicht von Mahmoud Darwish, eine von ihm selbst gesprochene Aufnahme aus dem Jahr 1973, “the olive leafs“. Es ist inspiriert vom kollektiven Identitätsverlust der Palästinenser, Darwish wird als die Stimme Palästinas gegen Unterdrückung bezeichnet.

      Wir vernehmen eine Frauenstimme, sie singt zart und versöhnlich, sie stammt von der Sängerin und der Ikone Rim Banna. Ein Duett, mit dem eine Annäherung an Harmonie und ein versöhnlicherer Umgang miteinander ausprobiert wird, folgt. Dieses entstand laut der Choreografin nach einem Probenbesuch eines Ex-Häftlings und thematisiert Isolation, das Gefangensein und der Sehnsucht nach Freiheit. Es entstehen narrative Gruppenbilder, die sich durch marionettenhafte Bewegungen sich zu windenden und repressiv zu lesenden Körperbildern aufschwingen. Erneut atemlos hilft man sich gegenseitig zur Ruhe zu kommen und so etwas wie “Alltag“ kehrt ein. Dieser wird durch Fotos visualisiert, welche auf die Körper der Tänzer*innen projiziert werden und urbanes Leben abbilden. Der Abend macht in dieser aufgeladenen Zeit die Kontroverse sicht-und spürbar, und bildet ein wertvolles Zeitdokument mit starken Performern. 

       

      Anmerkung:

      Der Abend hat durch die schrecklichen Ereignisse und nun die Dauer dieses Konflikts um den 7. Oktober 2023 eine unfreiwillige Aktualität erlangt. Die Choreografin hat sich dazu mit einem Vorwort geäußert und sich von den politisch ausgelösten Kriegshandlungen distanziert. Nachzulesen hier: https://12e8a173-88be-2e89-dbea-1aa79893b2c3.filesusr.com/ugd/9b98ba_f01fb2eeffd44a16a6eebbbe3eef69cf.pdf

      Beim anschließenden TNT gab es viel Redebedarf, und er fällt mit zwei Stunden ungewöhnlich lang aus. Viele der Zuschauer wollen mehr über die Einzelschicksale vor dem Hintergrund des ausgebrochenen Krieges wissen. Der Tänzer Zain äußert sich beispielsweise mit den Worten:„My grandmother is older than the occupation“. Nach Aussage der Choreografin haben die Tänzer*innen jeder etwas anderes im Herzen getragen. Sie erzählten von ihrer eigenen Lebenssituation und ihren Biografien in dem geteilten Land, der politische Konflikt drängte sich hier zwingend in den Hintergrund.

    • living matter(s) (2023)

      living matter(s) — compagnie O.

       

      Tanzhaus Zürich, Zürich, 17. September 2023
      Tanz: Alice D’Angelo, Naomi Kamihigashi, Ambra Preyer
      Künstlerische Leitung: Marie Alexis
      Aufführungsimpression Tanznachtisch der TanzLOBBY IG Tanz Zürich Tanznachtisch Moderation: Tina Mantel
      Text: Mary Staub
      (English version below)

       

      Die Zuschauer sitzen auf Tribünen, auf zwei gegenüberliegende Seiten des zentralen Bühnenraums, und blicken hinab auf eine rechteckige schwarze, gummiartige, zerknitterte Plane, die den grössten Teil des Bodens dazwischen bedeckt. Ein Ölteppich, der das, was darunter liegt, erstickt? Ein Wrestling-Ring zwischen Lebendigem und Materie?

      Einige Zuschauer ringen ebenfalls mit der Materie, diejenige ihrer Sitzkissen—zerknülltes Plastik umhüllt von einem gazeähnlichen Kissenbezug. Sie versuchen die Materie so zu bändigen, und arrangieren, damit sie bequem sitzen. Zugleich zähmen sie das Knistern und Rascheln, welches dabei erzeugt wird. Lebendige Materie?

      Drei Tänzerinnen in schwarz-glitzernden gummiartigen Unitards gleiten langsam schwarze Rampen, welche die Tribünen jeweils entzweien, hinunter. Eine Gliedmasse gleitet über die andere, schwer, passiv, ohne Muskelwille. In einem tranceartigen Gang begeben sich die Tänzerinnen wieder die Tribüne hoch, um erneut hinunterzugleiten. Immer wieder. Eine leise knisternde Geräuschkulisse kontrastiert die Schwere und Geschmeidigkeit der gleitenden Körper.

      Ein Körper nach dem anderen schlüpft unter die schwarze Plane, welche die Bühnenmitte bedeckt, wobei die Person der Tänzerinnen erlischt, nicht aber ihre Formen. Die Plane blubbert und hebt sich mit den sich darunter bewegenden Körpern. Sie pulsiert mit dem Atem der Tänzerinnen, hebt sich und fällt wieder, mit einem dumpfen Dröhnen. Risse und Spalten entstehen im Boden, aus denen langsam verschiedene Formen scheinbar lebloser Materie hervortreten - grauer Schaumgummi, durchsichtiges Zellophan, weisses Netzgewebe, eine Hand, ein Bein, ein Auge, ein Kopf. Oder eben auch hier: Lebendige Materie?

      Schon der Titel wirft die Frage auf: "living matter(s)". Lebendige Materie(n)? Ist das Leben wichtig? Welche Angelegenheiten haben mit dem Leben zu tun? Die Bedeutung des Lebens? Hat Leben Bedeutung? Ist Materie lebendig? Wer ist lebendig? Was ist lebendig? Die Fragen sind endlos und der Titel bietet endlose Interpretationsmöglichkeiten.

      Im Bühnenraum finden sich Tänzerinnen gelegentlich, aber selten. Sie verbinden sich miteinander. Manchmal bilden sie formbare, sich verändernde Skulpturen, deren Gliedmassen

      schwer übereinander fliessen. Ein anderes Mal sind die Formationen kantig, ruckartig, wie Mobiles, ein Ziehen an einem Knie, ein Sechseck aus Gliedmassen, eine Diagonale aus Körpern mit Verzweigungen. Gleich chemischen Verbindungen?

      Im Laufe des Stücks betritt immer mehr Materie die Bühne. Während sie anfangs von den Tänzerinnen durch ein sanftes Ziehen, Ruckeln oder Stossen eingeladen wird die Bühne zu betreten, scheint die Materie bald wie von selbst auf die Bühne zu fliessen.

      In einem Abschnitt hieven sich alle drei Performerinnen übereinander, schieben und zerren aneinander, aber wieder eher passiv, um die Rampe wieder hinaufzugleiten. Oben angekommen, reissen sie, erst langsam, dann schnell, Ströme von zellophanartigem Material von einer endlos-erscheinenden Rolle los. Sie ziehen, zerren, rütteln, reissen daran, aber schon bald übernimmt die Zellophanrutsche und die Körper werden vom glitschigen Boden hinuntergetragen. Sie rennen hoch, rutschen hinunter, flitzen hoch, purzeln hinunter, eine Strömung aus Zellophan reisst sie mit.

      Oder reissen etwa doch die Tänzerinnen selber daran?

      Später ziehen die Tänzerinnen an langen Stoffen, die hoch oben in der Decke aufgerollt sind. Auch hier zerren sie zunächst langsam, doch bald löst sich ein Wasserfall aus Vorhängen immer schneller von den Rollen und überflutet die Welt.

      Andere Materie betritt die Bühne und lässt verschiedene Bilder entstehen - wirbelnde, aufsteigende und krachende Wellen aus gazeartigen Netzen; Planen, die wie Wasser in der Sonne glitzern; schimmernde Skulpturen aus drei Körpern, die wie von Öl zusammengeschmiert sind; vibrierende Netze, die entweder selbst in Resonanz schwingen oder von den darin gefangenen Fischen geschwungen werden (und "living matters!" oder "das Leben ist wichtig/sinnvoll!" schreien!?).

      Auf diese Weise kommt es zu einem ständigen Wechselspiel zwischen dem Lebendigen und der Materie, wobei die Grenze zwischen dem was lebende Akteurin und Reaktion auf eine Bewegung häufig verwischt wird.

      Die Programmhinweise werfen ähnliche Fragen auf: «Materie umgibt und durchdringt uns, kann geformt und manipuliert werden, aber auch auf unvorhersehbare und unkontrollierbare Weise auf den menschlichen Körper einwirken. Wie verändert sich unser Zugang zur Welt, wenn wir Materie nicht als manipulierbar und leblos erachten, sondern als wirkmächtig, handlungsfähig, vital und selbstwirksam?»

      Nach "living matter(s)", während des Tanznachtischs (der von Mitgliedern von TanzLOBBY geleiteten Publikumsdiskussion), diskutierte eine kleine Gruppe von Zuschauern - einige von ihnen waren es gewohnt, Tanz zu sehen, andere nicht - und tauschten ihre Eindrücke von dem Stück aus. Für die meisten von ihnen waren die Bewegung und die Inszenierung zwar abstrakt, aber "living matter(s)" liess dennoch konkrete Bilder oder sogar vollständige Erzählungen entstehen. Ein Ölteppich, der alles erstickt und sich im Laufe des Stücks immer weiterentwickelt und neue Formen annimmt. Drei Körper in Brautkleidern aus hauchdünnem

      Netzgewebe, die sich gemeinsam wiegen. Wasservögel, die sich nicht so bewegen können, wie es die Natur vorgesehen hat, weil ihre Federn durch die ölverschmierte Materie am Körper festgeklebt sind. Fischernetze. Wogende Wellen.

      Das Stück hat auch viele Fragen in Bezug auf das Lebendige und die Materie aufgeworfen: Ist es möglich, dass das Lebendige mit der Materie verschmilzt? Hat es das bereits? Waren die Arbeiterinnen (Tänzerinnen) Sklaven der Materie, die sich ihren Weg durch immer grösser werdende Haufen unbelebter Materie bahnen mussten - eine Sisyphusarbeit? Oder haben die Arbeiterinnen die Materie zurechtgeformt, und jene Welt dabei kreiert, die sie wollten?

      (Eine andere, eher praktische Frage war: Wer wird all diese Materie aufräumen?)

      Die Bewegung der Performerinnen fesselte die meisten ebenso wie die Bilder, die die Materialien auf der Bühne erzeugten. Die Materialien warfen die Frage auf, inwiefern es vertretbar ist, Plastik, Kunststoffe, oder Materie zu ästhetisieren. Das Publikum fand, dass die lebende Materie auf der Bühne (die Tänzerinnen) nur selten Emotionen zeigten, nur ein gelegentliches inneres Lächeln, wenn sie an der einen oder anderen Stelle miteinander verbunden waren. Diese Momente gefielen. Einige Leute hätten sich mehr solcher Momente gewünscht - eine klare Präsenz des Lebendigen in der Materie. Vielleicht war das aber auch der Sinn der Sache - das Lebendige in der leblosen Materie verschwinden zu lassen und uns zum Nachdenken darüber zu bringen, was dies bedeutet.

      living matter(s)

      Künstlerische Leitung Marie Alexis
      Konzept Marie Alexis, Ivalina Yapova, Mona De Weerdt Choreografie Marie Alexis in Zusammenarbeit mit den Tänzer:innen Dramaturgie Mona De Weerdt
      Raum, Licht, Ausstattung Ivalina Yapova

      Kostüm und Ausstattung Karen Feelizitas Petermann; Komposition und Sounddesgin Serafin Aebli; Text Monda De Weerdt, Marie Alexis; Mit-Konzeption Lyn Bentschik; Produktion Marie Alexis, Karolina Sarre; Choreografieassistenz Soraya Leila Emery; Dramaturgische Begleitung Tanzhaus Zürich Jessica Huber; Szenografieassistenz Hannah Förster; Grafik, Fotografie Pascale Lustenberger; Video Esther Petsche (Kamera), Marie Alexis (Schnitt)

       

       

      English Version:

       

      living matter(s) — compagnie O.

       

      Tanzhaus Zürich, Zurich, September 17, 2023
      Dance: Alice D’Angelo, Naomi Kamihigashi, Ambra Preyer Aristic direction: Marie Alexis
      Impressions- TanznachtischbyTanzLOBBYIGTanzZurich Moderator «Tanznachtisch» (audience talkback): Tina Mantel Text: Mary Staub

      Audience members frame two opposite sides of the central stage-space, rising on bleachers on either side, peering down on a rectangular black rubbery, crumpled tarp that covers most of the floorspace in between. An oil spill that suffocates that which lies beneath? A wrestling ring for living versus non-living matter?

      Some audience members already wrestle with the non-living matter of their seat cushions— seemingly scrunched up plastic in a gauze-like pillowcase. They try to adjust it just so for comfort, while taming the crackle and rustle it emits. Living matter?

      Three dancers in glistening, scaly tight rubber unitards slide down rubbery ramps that run down the center of the bleachers. One limb oozes over the next, heavily, slowly, passively, without will or muscle—the only sign of volition when the dancers climb back up to the top of their side of the bleachers, in a dreamlike trance. A softly crackling soundscape contrasts the smoothness of the sliding bodies.

      One by one the bodies slither under the black tarpaulin center-stage, the details of the dancers thereby disappearing, but not their form—the tarp bubbles, rises and falls from the bodies moving underneath. These breathing pulses create cracks and crevices in the plastic surface. Various forms of seemingly non-living matter slowly spill forth—grey rubber foam, translucent cellophane, white gauzed netting, a hand, a leg, an eye, a head. Or is it living matter?

      The title itself begs the question. “living matter(s)”. Matters of life? Matters that live? The meaning of living? Is matter alive? What matter lives? Does living matter? Is it important to live? Who is alive? What is alive? The questions are endless.

      Occasionally the dancers connect with one another, at times forming and reforming malleable sculptures, limbs heavily flowing over one another. At other times, the formations are angular, jerky, like mobiles, a pull on a knee, a hexagon of limbs, a lunged diagonal. Embodied chemical compounds?

      Throughout the piece, more matter enters the stage. While initially invited by the dancers through a soft tug, jerk, or jolt, the matter soon seems to flow onto stage as though on its own.

      In one section, all three performers heave themselves over one another, pushing and tugging, but passively, to drip back up a ramp. At its top, they unleash, first slowly then rapidly, endless

      reams of cellophane-like material from an infinite-seeming reel. They tug as though trying to empty the role, but soon the ribbons of tape take over, carrying the bodies down the ramp on a slippery slide of cellophane. The bodies run up, slide down, dash up, tumble down, a stream of cellophane gushing and ripping underneath.

      Or are the dancers ripping at it after all?

      In another section, the dancers start pulling on lengthy drapes attached high overhead on reels in the rafters. Again, first they tug slowly, but soon a waterfall of drapes releases ever-more- rapidly from the rolls overhead, inundating the world beneath.

      Other matter enters the stage, giving rise to various images—waves of gauze swirling and rising and crashing; ripples of tarp, glistening like water in the sun; the glistening sculptures of three bodies slicked together as though by oil; vibrating nets with either the nets themselves swinging in resonance or being swung by fish caught therein (screaming “living matters”!?).

      In this way, there’s a constant interplay of living and non-living matter, frequently blurring the boundary of who or what is which.

      The program notes raise similar questions: “Matter surrounds and permeates us, can be shaped and manipulated, but can also affect the human body in unpredictable and uncontrollable ways. How does our approach to the world change when we consider matter not as manipulable and lifeless, but as effective, capable of action, vital and self-effective?”

      After “living matter(s)”, during Tanznachtisch (the audience talk-back led by members of TanzLOBBY), a small group of spectators—some were regular dancegoers, but others weren’t—exchanged their impressions from the piece. For most of them, while the movement and staging were abstract in nature, “living matter(s)” created concrete images or even full-blown narratives. An oil slick that suffocates everything and continuous to develop and take new forms throughout the piece. Three bodies in bridal gowns of gauzed netting swaying together. Waterfowl unable to move as intended by nature because their feathers are glued to their bodies by sheets of oil-slick matter. Fishing nets. Undulating waves.

      What stood out was that the piece gave produced many questions related to living and matter—is it possible for the living to fuse with matter? Has it already? Were the workers (dancers) slaves to the matter, heisting and heaving their way through ever-growing heaps of non-living matter, a Sisyphean task? Or did the workers shape the matter, thereby creating the world they wanted?

      (One question of a more practical matter was: who’s going to clean all this up?)

      The movement of the performers captivated most of the Tanznachtisch participants, as did the images created by the materials onstage. The abundance of these non-living materials also gave rise to the question of whether it’s ok to aestheticize plastic when we know of all the harm it does. Some in the audience commented that the performers rarely showed emotion, only an occasional inner smile when they connected with one another. Those moments were relished. Some people would have liked more such moments—a clear presence of the living within the non-living surrounding matter. Or maybe that was the

      point—to have the living disappear into the matter and make us think about what that means.

       

      living matter(s)

      Artistic direction - Marie Alexis

      Concept - Marie Alexis, Ivalina Yapova, Mona De Weerdt

      Choreography - Marie Alexis in cooperation with the performers

      Dramaturgy - Mona De Weerdt

      Stage, light, props - Ivalina Yapova

      Costumes and props - Karen Feelizitas Petermann

      Composition and sound design - Serafin Aebli

      Text - Mona De Weerdt, Marie Alexis

      Performance - Alice D’Angelo, Naomi Kamihigashi, Ambra Peyer

      Co-conception performance - Lyn Bentschik

      Production - Marie Alexis, Karolina Sarre

      Choreographic assistant - Soraya Leila Emery

      Dramaturgical advisor Tanzhaus Zürich - Jessica Huber

      Scenographic assistant - Hannah Förster

      Graphic design, photography - Pascale Lustenberger

      Video - Esther Petsche (camera), Marie Alexis (editing)

    • Notebook (2023)

       

                  Alexandra Bachzetsis - Notebook

                  So. 21. Mai 2023 Gessnerallee Zürich

                  Von und mit: Alexandra Bachzetsis, Antoine Weil, Alban Schelbert (Live-Sound)

                  Tanznachtisch Moderation: Tina Mantel

                  Text: Luisa Funk



      Das Stück Notebook (2023) der Choreografin, Tanz- und Performancekünstlerin Alexandra Bachzetsis widmet sich, fragmentarisch, in mehr oder weniger lose aneinander gereihten Szenen u.a. den Themen Sexualität, Sehnsucht, Exzess und Schmerz und führt uns als beobachtende ZuschauerInnen das Zu-schauen, das Drauf-schauen auf persönliche, bildhaft und performativ ausagierte Notizen aus dem Leben der Künstlerin vor. Solistische Sequenzen, in welchem der bewegende Körper, oder auch hier, fragmentarisch auf bestimmte Körperpartien reduziert, vorwiegend in einem Modus des Auslotens, des Suchens agiert, wechseln sich mit tänzerischen Partien in Duettform ab. Die Interaktion zwischen bewegenden Körpern und Objekten auf der Bühne ist eine weitere sich durch das Stück ziehende Aktionsform.
      Charakteristisch und der Schreibenden scharf in Erinnerung geblieben ist das Agieren, aber auch das Interagieren der Körper in Form des expliziten Posierens, umgangssprachlich und im Popjargon auch als Posen bekannt. Diese Art den Körper zu bewegen, zeichnet sich durch ein spezifisches Gerichtet-sein auf eine beobachtende Instanz aus.

      Bereits in der Exposition des Stückes wird diese Art der Bewegung ausgiebig praktiziert. Mit nacktem Oberkörper, Jeanshosen und schwarzen mit Blockabsatz versehenen Stiefelletten, bietet Antoine Weil (Bachzetsis Tanz- bzw. Performancepartner in diesem Stück) Teile seines fein muskulösen, jungen Körpers der ihm gegenüberstehenden Kamera an, spielt lasziv mit Sehen und Gesehen werden, und lotet dabei nicht nur die Attraktivität gewisser Körperteile aus, sondern auch ein Spannungsfeld zwischen Intimität und Öffentlichkeit. Denn, die Bilder der Kamera werden sowohl auf einen Flatscreen (in Wohnzimmerformat am vorderen Bühnenrand rechts) wie auch auf eine grosse Leinwand (Kinoformat im hinteren Teil der Bühne links) projiziert. Schläfrige Blicke, Schmollmund, die Hände immer wieder am Hosenbund, später die Hose öffnend. Latentes Hüftschwingen, sinnliches Haare-durchstreifen. Dieses zart erotische Bewegungsmaterial, das Ausloten von Nähe und Distanz, zunächst mit der Kamera, später in den folgenden Duetten mit der Choreographin selbst, weist auf den das Stück immer wieder begleitenden Gestus des Lasziven, des Spielerischen, aber auch des Toxischen hin. Die Textzeilen des die Exposition begleitenden Songs Toxic von Britney Spears aus dem Jahre 2003, in einer vereinfachten, gleichzeitig romantisierten Version (ausschliesslich Gesang und Gitarrenbegleitung, Musik: Alban Schelbert) ‚I’m addicted to you, don’t you know that you are toxic’ untermalen unüberhörbar einen Kampf um,- aber auch die Sehnsucht nach Nähe und Distanz. Die Art und Weise wie beide Körper in den folgenden Duetten zusammenkommen, mal hart anpackend, mal weich ineinander fliessend erzählt vom Suchen nach der richtigen Form, vom Zügeln und vom Laufen-lassen der eigenen Wünsche und Sehnsüchte. Sehnsucht auch, die Rollen fluide zu halten, zwischen Dominanz und Unterlegenheit, zwischen beobachten und beobachtet werden. Ein erstes Duett, mündet, nachdem beide einen, an den Aerobic-Kult der 80er Jahre erinnernden, String-Badeanzug übergestreift haben, in einer ausgelassen fröhlich und synchron getanzten Pop-Choreographie. Stellenweise akrobatisch, extrovertiert und glatt, steht diese Sequenz, quasi als kurzweiliges aber konkretes Stil-Statement im Kontrast zum vorherigen Modus des Suchens und Auslotens.
      Das Überstreifen roter hochhackiger Overknee-Lackstiefel, das eine weitere Rollenaneignung Bachtzesis‘ markiert, läutet eine Szenenfolge ein, die mich als Zuschauerin genau jenen Mut kostet, von welchem die Choreographin selbst in einem Interview (zu einem anderen Stück) gesprochen hat. Dass es für manche Szenen für sie als Performende, aber auch für die Betrachtenden Mut koste, sich diese anzuschauen. Und, dass sie solche Momente der Herausforderung, des Verstörens auch suche.[1] Dass dabei aber auch immer das Potential der Transformation (aus den verstörenden Momenten heraus) aufgeworfen wird, macht folgende Szenensequenz deutlich und reizvoll: ungefähr in der Mitte des Stückes wird ein Video gezeigt, auf welchem sich drei in Latexanzügen eingeschlossene Frauen lustvoll gegenseitig mit Wasserdunst einsprühen (unter ihnen auch die Choreografin selbst). Die feinen Wasserperlen ‚versprühen’ einen erotisch aufgeladenen feuchten Dunst in den, an eine Sammelduschkabine in einem Hallenbad erinnernden, Raum. Wieder überwiegt durch mit halbgeöffneten Mündern, erotisierenden Blicken und später durch eindeutig sexuell angeworfene Bewegungen der, auf dem Boden der Duschkabine sich ineinander verkeilenden, Frauenkörper der Gestus des Lasziven, hier aber auch des Toxischen. Denn, auch im Duschraum ist ein älterer Herr, der die Frauen umkreist und ihnen mit einem Art Helligkeitsmesser nahe kommt. Mit seiner spezifischen Präsenz des nicht offensichtlich Involviert-seins, gleichsam durch sein Um-die-Frauen-Herumschleichen bietet diese Szene reichlich Stoff für verstörende Assoziationen von übergriffigem Verhalten oder schmerzhaftem Voyeurismus. Ausgiebiges Duschen unter sich intensivierendem Wasserstrahl folgt wie ein exzessives Reinigen aus dieser prekär-lustvollen Situation. Diese Szene wiederum wird abgelöst von einer weiteren vorproduzierten für die Leinwand auf der Bühne. Einem Befreiungsschlag gleich, schwimmen und tauchen hier die vorigen, (oder nur eine von ihnen?) in Latex gehüllten Frauen nun in üppig sie umspülenden Wassermengen. Interessant hier ist auch, wie sich das Wasser als Element von feinperlend gesprüht über plätschernde Tropfen einer Dusche hin zu wogenden Wassermassen entwickelt und verdichtet hat. Gleichzeitig, die beklemmende, vorangegangene Situation gewissermaßen entwirrt.

      Dann folgt, wieder als Live-Szene auf der Bühne, ein von der Choreographin auf Griechisch gesungenes Lied mit eingespielter einfacher Begleitung. Ohne Kenntnis des Textes ist die Art und Weise des hier gezeigten Körpers beim Singen im Vergleich zu allen vorherigen und nachfolgenden einzigartig im Stück. Der wiederholt beschriebene Gestus ist gewichen, keine lasziven Blicke, keine geschwungenen Hüften, keine Anziehung kein Abstossen, sondern pur und geradlinig singt Alexandra Bachzetsis dieses Lied in ein von ihrem Tanzpartner gehaltenes Mikrofon. Die hier offensichtlich unaufgeregte und, vor allem, nach innen gekehrte Körperlichkeit erzählt von Authentizität und Ehrlichkeit, distanziert sich von Rollen und deren Aneignung, woran sich das Stück auch nach dieser Zäsur weiter abarbeitet in unterhaltsam, verstörend und hoch ästhetischer Art und Weise.

       

      [1] Vgl. RaBe-Info Interview mit Monika Hofmann zur Performance „2020:OBSCENE“  https://www.alexandrabachzetsis.com/press-2022.html. Zugriff: 27.6.2023.

       

       

    • NASLAH (2023)

       

      NASLAH - BEHIND BARS von Aly Khamees  

      Tanzhaus Zürich, 23. April 2023

       

      Choreografie & Performance: Aly Khamees
      Co-Autorin, Produktions Leitung: Jelena Mair 

      Komposition & Musik: Ahmed Saleh
      Licht Design: David Baumgartner
      Coach & Outside Eye: Romain Guion
      Dramaturgische Unterstützung: Simon Fröhling, Tanzhaus Zürich

       

      Aufführungsimpression nach Tanznachtisch

       

      Beim Tanznachtisch Gespräch im Anschluss an die Aufführung fiel auf, wie vielstimmig die Eindrücke und Assoziationen der Zuschauer*innen waren. Gemeinsam war allen, dass sie beeindruckt und berührt waren von Aly Khamees. Ein Tänzer, der selten die Anwesenheit des Publikums in seinem Spiel anerkennt, sondern es Kraft seiner Energie in seinen persönlichen Ausdrucksraum hineinzieht. 

       

      Zunächst ist da eine grosse Verlorenheit, wenn ein Mann in schwarzem Mantel, beladen mit fünf Koffern, auf der grossen, nebelgetränkten Bühne des Tanzhauses steht und seinen Platz sucht. Lange sehen wir vor allem seine nackten Füsse, die nicht wissen, wo sie ihn hintragen sollen. Nur seine Hände und Finger erzählen in raschen, unruhigen Gesten von Menschen oder Dingen, die keine Worte haben, weil sie verstummt sind, oder weil sie nicht verstanden werden, in einem fremden Land. Die auf seinen Rücken geschnallten Koffer - und zusätzlich einer auf seiner Brust - beschweren ihn, lassen ihn taumeln und geben ihm gleichzeitig Halt. Sie erzählen von Obdachlosigkeit, vom Fremdsein, von Unterdrückung. Plötzlich fallen die Koffer abrupt auf den Boden – der erste von mehreren unvorhergesehenen Brüchen, die vom Tänzer, von der Musik oder vom Licht gesteuert werden. Diese Elemente sind starke Partner des Performers, die seine wortlose Geschichte miterzählen. 

      Das Zittern ist ein wiederkehrendes Element von Alys Tanz. Es ist beklemmend und zwingt uns in eine körperliche Anspannung, wie wenn man einem kranken, frierenden oder vor Angst zitternden Menschen zuschauen muss, ohne ihm helfen zu können. Dieses Beben kommt ganz aus dem Innern seines Körpers, umfasst Hände, Oberkörper oder den ganzen Mann in sprungartigen Zuckungen durch den Raum. In einem ruhigeren Moment – nur die Hände zittern weiterhin – packt Aly einen Koffer aus und es kommen ein paar Schuhe und farbige Teller zum Vorschein. Darauf legt er bedachtsam Knochenfragmente und Fetzen eines weissen Shirts. Eine kryptische Szene die im Gespräch als eine der einprägsamsten genannt wurde. 

      Es gibt keine narrative Linie in diesem Stück, doch wir folgen dem fesselnden Spiel des Tänzers bis zur letzten Minute. Er verändert immer wieder seine Bewegungsqualitäten: einmal getrieben von bedrohlichen äusseren Kräften, dann in verführerisch lieblichen Bauchtanz Bewegungen; immer wieder hilflos den körperlichen Vibrationen ausgesetzt und dazwischen allzu kurze Sequenzen von Selbstermächtigung, wo der Tänzer kräftige Bewegungen durch den Raum fliessen lässt. 

      Auch die Musik von Ahmed Saleh schafft vielschichtige und sehr unterschiedliche Stimmungen, mit eindringlichen Rhythmen oder lieblichen Stimmen. Sie entwickelt einen Sog, der den Tänzer immer wieder antreibt, oder auf ihr ruhen lässt. Einmal spricht er durch ein Mikrophon mit Echo Effekt und nutzt die Koffer als Berg oder Reling. Die vielen Stimmen, von denen seine Hände früher erzählten, sind jetzt hörbar, auch wenn wir ihre Worte kaum verstehen. In einem Moment der Ermächtigung tanzt Aly in klaren, fliessenden Bewegungen, die ich nicht deuten muss und nur geniessen kann – doch nur für kurze Zeit, denn der Ganzkörpertremor übernimmt wieder die Kontrolle über seinen Körper, gleichzeitig blendet uns das Gegenlicht schmerzhaft – und dann hält alles an.

      Wie aus dem Nichts holt der Tänzer ein langes Messer und schwingt und wirft es in die Luft wie ein Messerwerfer im Zirkus. Der ägyptische Messertanz, der im Ankündigungstext unsere Neugier geweckt hatte, kommt zu einem Zeitpunkt, als wir ihn schon fast vergessen hatten. Zu bedrohlichen Klängen tanzt er, das Messer in der einen, ein weisses Tuch in der anderen Hand – männlich und weiblich, Aggression und Friedenssymbol, Bedrohung und Verführung alles in einem Tanz vereint. Zuletzt singt Aly, während das Messer auf seinem zum Himmel gerichteten Gesicht balanciert. Eine Zuschauende hätte den Text hier gerne verstanden, doch erzählt dieses Bild so viel, wie es Worte vielleicht gar nicht könnten. Schliesslich sinkt die ganze Lichtaufhängung von der Decke langsam nach unten, auf Aly zu. Dieser Schluss hinterlässt passend zum ganzen Stück, mindestens zwei gegensätzliche Eindrücke: der Mensch wird erdrückt, wenn die Decke buchstäblich auf ihn fällt – oder der Himmel mit seinem Licht kommt dem Menschen näher.

      TM 30.4.23

    • Old White Clowns (2023)

       

      Old White Clowns – Max Merker

      Samstag, 25. März 2023, 20:00 Uhr, Fabriktheater, Rote Fabrik Zürich

       

      Spiel: Max Merker, Emma Murray, Téné Ouelgo Konzept, Regie: Max Merker Konzept, Dramaturgie Martin Bieri, Bewegungscoaching: Emma Murray

       

      Aufführungsimpression nach Tanznachtisch

       

      Max Merker, Emma Murray und Téné Ouelgo stehen an der Rückwand und beobachten, wie das Publikum Platz nimmt. Téné Ouelgo begleitet das Publikum mit einer runden Melodie auf der Gitarre. Der Aufführungsraum besteht aus einer ca. 40 cm hohen Holzbühne in der Mitte des Raumes. In den Türsturz ist ein Bildschirm integriert, auf dem Untertitel eingeblendet werden. Laut Synopsis der Aufführung geht es im Stück um Jean-Gaspard Deburau, den Begründer der modernen Pantomime und berühmtesten Pierrot aller Zeiten.

       

      Im ersten Teil der Aufführung wechseln sich die drei Performer*innen auf der Bühne ab und stellen sich mal lustig, mal ernsthaft vor. Währenddessen wird die Geschichte von Deburau vor seiner Ankunft in Paris und seinem Eintritt in das Théâtre des Funambules erzählt. Die unglaublichen körperlichen und pantomimischen Fähigkeiten von Max ermöglichen es dem Publikum, sofort in die Atmosphäre des Stückes einzutauchen. Humorvolle Aktionen wie unvorsichtige Stürze oder vorgetäuschte Schlägereien wechseln sich mit ernsteren Themen wie Migration oder Gewalt ab. Wenn Emma zum Beispiel zum ersten Mal die Bühne betritt, beschreibt sie die harmlosen Umstände, mit denen Deburaus Familie zu kämpfen hatte. Manchmal mit ihrer Stimme, aber vor allem mit präzisen und raffinierten Bewegungen erzählt Emma eine interessante Anekdote über die Anwendung von (echter oder vorgetäuschter) Gewalt. Mit sanfter, ruhiger Stimme, viel Humor und dem Blick fest auf das Publikum gerichtet, beginnt sie, sich selbst zu schlagen, was das Publikum zum Lachen bringt.

       

      Max bleibt in den vier Wänden der Bühne gefangen, als wäre Deburau von Pierrot und seinem Erfolg versklavt worden. Er versucht auszubrechen, aber es gelingt ihm nicht. Die Szene spielt sich unter den Augen der beiden anderen Schauspieler ab, die ihn unterdessen drängen, mit seiner Stimme zu sprechen und seine Not auszudrücken. Nur der Wille zu fliehen durchdringt die vierte Wand. Die "innere Stimme" (Téné) wird immer drängender und aggressiver. Sie drängt ihn, zu sprechen und seine Bedürfnisse zu äußern. Bis zum Höhepunkt der Gewalt, der mit der Ermordung eines Fans von Pierrot/Deburau an einem freien Tag endet. 

       

      Emma Murray, Bewegungscoach der Produktion, hat ihre Aufgabe hervorragend erfüllt, sowohl mit ihren detaillierten Bewegungen als auch mit ihrer fesselnden Bewegungsqualität - atemberaubende Sequenzen wechseln sich mit witzigen Bewegungen ab. Zweimal tanzten die drei Darsteller eine choreographierte Bewegungssequenz. Die erste war inspiriert von einer für die damalige Zeit typischen Kabarett-Choreografie. Die zweite, begleitet vom sehr passenden „Dernière Danse“ der französischen Künstlerin Indila, bildete den Abschluss der Aufführung. Sie zeigte die Dynamik des körperlichen Fallenlassens und erinnerte an das im Text beschriebene Leiden.

       

      Ein wichtiges Thema, das in der Beschreibung der Aufführung angekündigt wird, ist die französische Invasion in Algerien. Das Thema schwebt in der Luft, ohne zu einem konkreten Gedanken oder Urteil zu werden, was im kleinen Kreis der Tanznachtisch Gespräch als eine der Stärken des Stücks angesehen wurde: die Simplizität, mit der tiefgründige und kritische Themen wie Kolonialisierung und Gewaltanwendung dargestellt werden, ohne den Anspruch zu erheben, belehrend zu sein. Die Einfachheit und die warme, erfüllende Energie der Darsteller*innen hilft den Zuschauern, in die umarmende Atmosphäre der Aufführung einzutauchen. Das Stück berührt das Publikum, indem es aufregende und wichtige Fragen anspricht. Es ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle.

       

      Valerio Porleri, 8.4.2023

       

      Old White Clowns – Max Merker

      Saturday, March 25th 2023, 20:00 Uhr, Fabriktheater, Rote Fabrik Zürich

       

      Spiel: Max Merker, Emma Murray, Téné Ouelgo Konzept, Regie: Max Merker Konzept, Dramaturgie Martin Bieri, Bewegungscoaching: Emma Murray

       

      Performanceimpression after Tanznachtisch

       

      Max Merker, Emma Murray and Téné Ouelgo stand at the back wall and watch as the audience takes their seats. Téné Ouelgo accompanies the audience with a round melody on the guitar. The performance space consists of a wooden stage about 40 cm high in the middle of the room. Set into the lintel is a screen for playing subtitles. According to the synopsis of the performance, the subject is Jean-Gaspard Deburau, the founder of modern pantomime and the most famous Pierrot of all time.

       

      In the first part of the performance, the three performers take turns on stage, sometimes funnily introducing themselves, sometimes in a serious manner. At the same time, they narrate the story of Deburau before arriving in Paris and entering Théâtre des Funambules. Max's incredible physical and pantomime skills allow the audience to immerse themselves in the atmosphere of the play immediately. Humorous actions such as careless falls or fake fights alternate with more serious themes such as migration or violence. For example, when Emma first enters the stage, she describes the harmless circumstances Deburau's family had to deal with. Sometimes with her voice, but mainly with precise and refined movements, Emma tells an interesting anecdote about the use of violence (real or fake). With a soft, calm voice, a lot of humor, and her focus firmly fixed on the audience, she starts to hit herself, which makes the audience laugh.

       

      Max remains trapped within the four walls of the stage as if Pierrot and his success had enslaved Deburau. He tries to break out but fails. Only the will to escape penetrates the fourth wall. The scene happens under the eyes of the two other actors, who meanwhile urge him to speak with his voice and express his necessities. The "inner voice" (Téné) becomes increasingly urgent and aggressive. It encourages him to speak and express his needs until the climax of the violence ends with the murder of a Pierrot/Deburau fan on a day off. 

       

      Emma Murray, the production's movement coach, did an excellent job conveying detailed movements and captivating movement quality - breathtaking sequences alternate with funny moves. Twice the three performers danced a choreographed movement sequence—the first inspired by cabaret choreography typical of the time. The second, accompanied by the very fitting “Dernière Danse” by the French artist Indila, was the final of the performance. It showed the dynamics of physical falling and recalled the suffering described in the text.

       

      An important theme announced in the performance description is France's Algerian invasion. The subject floats in the air without becoming a concrete thought or judgment, considered one of this piece's merits during the little round of Tanznachtisch impressions: the simplicity in displaying profound and critical themes, such as colonisation and the use of violence, with no pretence of teaching anything. Simplicity in the stage design, costumes, and music choices helps the audience to dive into the embracing performance produced through the warm and fulfilling energy of the performers. The play touches the audience by raising exciting and significant questions. It is a rollercoaster of emotions.

       

      Valerio Porleri, 8.4.2023

       

       

    • Chaenelings (2022)


      22.12.’22 Aufführungsimpressionen TanzLOBBY IG Tanz Zürich

      Lucia Tuma - Chænelings

      Do. 22. Dezember 2022 Gessnerallee Zürich

      Von und mit: Kiraṇ Kumār, Mamela Nyamza & Lucie Tuma

      Tanznachtisch Moderation: Tina Mantel
      Text: Luisa Funk 


      Auftakt

      Der Ankündigungstext zum aktuellen Stück Chænelings von Lucia Tuma hat es in sich. Dicht aneinander gereiht entspannen sich Themen, welche jedes für sich Abend-füllendes Potential liefern würde. Okkultismus, Tanz, Magie und die Fähigkeiten des menschlichen Körpers zur Mutation und Heilung. Fragen nach Formen von Genesung in der weltweiten Gesundheitskrise, okkulte und mediale Praktiken, spirituelle und technische Medien, „Tanz und Choreografie als Fragmente aus unterschiedlichen Zeiten, Musik und Klang als Massage, Stimme und Gesang als Übertragung aus dem Anderswo (…)“ und schliesslich der Anspruch innerhalb des Übens (auf der Bühne) Studium, Show, Aufführung, Praxis und Séance zu sein.
      Oh ha! Als Lesende dieser Ankündigungslektüre erlebe ich Neugier und Skepsis zugleich, bin gespannt, gleichwohl bereits überfordert irgendwie. Schnell stellt sich dann die Frage, wie all jene Themen und Formen zueinander finden, in welche Beziehung sie treten?

      Zum Stück
      Während das Publikum die Halle Ost der Gessnerallee betritt, ist die Bühne bereits bespielt. Zwei Performerinnen (Lucie Tuma/ Mamela Nyamza, ein Performer (Kiran Kumãr) durchstreifen die Spielfläche mit ausgebreiteten Armen, wedeln diese seitlich vor- und zurück, den Körper wechselnd zu allen vier Seiten der Bühne ausgerichtet. Ihre wachen, offenen Blicke streifen vereinzelt Menschen im Zuschauerraum. Eine sanfte Kontaktaufnahme mit den Gästen, bei gleichzeitigem Einschwingen des Körpers. Oder aber - mit Anknüpfung an den titelgebenden Begriff des Chænelings (Channeling) -  ein Reinigen der Theaterluft im Sinne einer Vorbereitung zu Verbindungen ins Anderswo?
      Im Verlauf des Stückes werden die drei Performer*innen zu einer mehr oder minder verbundenen körperlichen Einheit, welche sich an einem beständigen Aufeinander-bezogen sein mit verschiedensten Tätigkeiten auf der Bühne abarbeitet. So wird z.B. am vorderen linken Bühnenrand zu dritt im kleinen Kreis auf dem Boden sitzend geflochten, jede*r an den eigenen drei Strängen. Dabei leise geplaudert, an den Seilen gerochen, Wasser getrunken. Später werden jene Seile einander um den Körper gebunden und das Flechten im grossen Stil an nun längeren, die Bühnen fast in ihrer ganzen Tiefe überspannenden Seilen, wiederholt. Dazwischen variantenreiches Laufen über die Bühne, auf Spitze wippend, in Slowmotion, synchron im Führen-Folgen Modus mit Richtungswechsel im geraden Takt.
      Dazu Sound und Licht in verschiedenen Facetten: geräuschhaft sphärisch begleitend, hintergründig. Aber auch im Vordergrund deftig und dröhnend. Auch die Stimmen der Performer*innen sind zu hören. Im halbdunklen rechten Bühneneck am Boden liegend werden milde assoziativ säuselnd jene Farben - und ihr mögliche Wirkung - kommentiert, welche den Zuschauenden in dieser Szene farbig bunt gemischt von der Bühnenrückwand frontal entgegen leuchten.
      An dieser Stelle erlebe ich als Zuschauende die maximale Verlassenheit. Und resümiere, dass sich dieses Gefühl bereits nach der hoffnungsvollen Exposition eingeschlichen- und im Verlauf des Stückes sukzessiv zugenommen hat. Dabei wurde die Fülle (des Ankündigungstextes) gewissermassen zur Leere im konkreten Live-Erlebnis zwischen Agierenden und Zuschauenden im Theatersaal.

      Fragen
      Eine Frage der Dimension und Anordnung: wäre das Stück auf einer wesentlich kleineren Bühne besser aufgehoben? Zu oft haben die stattlichen 19 auf 13 Meter Bühnenmass (Höhe 11 Meter) Körper und Stimmen verschlungen, sie in unsichtbaren Ecken und Winkel verschwinden lassen.
      Eine Frage der Anordnung: Die Zuschauenden sitzen den AkteurInnen frontal gegenüber. Diese klassische Anordnung von Schauenden und Agierenden setzt - anders als aufgelockerteres oder durchmischteres Aufeinandertreffen von Menschen im Theater - gewissermassen voraus, dass die Aktivitäten auf der Bühne die Schauenden adressieren.

      Auf meinem Sitzplatz hinten oben frage ich mich: inwiefern sind Zuschauende in diesem Setting mitgedacht? Und hat dies vielleicht auch mit dem Modus der Introvertiertheit in welcher die Performer*innen mehrheitlich agierten zu tun? 
      Eine Frage des Masses: Viele der oben benannten Tätigkeiten spielen sich in einem Modus der Introvertiert- und Privatheit ab. Das leise Plaudern sitzend im Kreis während Seile geflochten werden. Die verschiedenen Bewegungssequenzen, als vom Rest der Welt abgezirkelte dreifache Einheit. Oder das sphärische Säuseln ins Mikrofon während die drei Performer*innen kreisförmig auf dem Boden liegen. Wie viel Privatheit, wie viel introvertiertes Handeln und Üben verträgt ein (Bühnen)stück? Dabei kann das Beobachten von Kunst im (Entstehungs-) Prozess durchaus spannend sein. Keine Frage, es geht mitnichten immer um das Anschauen fertiger Produkte mit expressivem Showcharakter. Aber braucht es nicht - wenn Kunst vor Gästen gezeigt wird - in irgendeiner Form einen Kanal zu diesen? Vor allem dann, wenn Themen des Gemeinsamen, des Zueinanderfindens (nach einer Pandemie), des Heilens durch Gemeinschaft, Berührung etc. im Zentrum stehen?
      Und natürlich sind diese Kanäle, sei es im spirituellen Sinn, beispielsweise im Kontakt mit dem Anderswo, mit anderen Zeiten, anderen Welten eine sensibel individuelle, und das Verhandeln dieser auf der Bühne nicht minder delikate Angelegenheit. Wie auch das Erleben von Kunst an sich jedem Individuum Exklusivität im Sinne subjektiv wahrnehmbarer Erlebnisse bescheren kann und soll. Eine Stimme aus dem Nachgespräch berichtete von berührenden Momenten im Stück, sowohl während der Sequenz des gemeinsamen Flechtens (hier in Bezug auf die differenzierte Körperlichkeit der drei Performer*innen, welche diese Tätigkeit spielerisch hervorbrachte), wie auch in der Beobachtung der feinen und von Achtsamkeit und Sorgfalt erzählenden (Hand-) Berührungen während des Laufens über die Bühne.
      Das schreibende Subjekt allerdings kommt hier abschließend zu der Erkenntnis, dass ihre Kanäle zum Stück weitgehend verschlossen blieben. Sowohl hinsichtlich eines Wiederfindens oder Anknüpfens an eine der aufgeworfenen Themen, wie auch in Bezug auf eine mögliche Resonanz auf die verschiedenen formalen Ansätze des Stückes (Studium, Aufführung, Séance), oder einfach nur auf die Körper in Raum und Zeit.


    • Rendez-Vous (2022)

      English further down 

       

      Eugénie Rebetez - Rendez-vous

      Dienstag, 29. November 2022, 20:00 Uhr, Tanzhaus Zürich

      Choreografie, Komposition, Text und Inszenierung: Eugénie Rebetez

      Kreation und Spiel: Plume Ducret, Michael Fehr, Marthe Krummenacher, Naïla Vasarino, Leslie Philbert, Eugénie Rebetez

      Tanznachtisch Moderation: Tina Mantel

      Text: Valerio Porleri

       

      Ein graugrünes, halbtransparentes Tuch hängt von der Decke und trennt die hintere von der vorderen Hälfte der Bühne. Das Publikum ist komplett, und Stille steigt auf, als die Lichtstärke sinkt. Dann Black-out. Eugénie tritt aus dem Tuch in einem rosaroten Rock mit langer Schleppe und einem schwarzen T-Shirt, und verbindet dadurch die Eleganz einer Prinzessin mit der Alltäglichkeit des Lebens. Sie bewegt sanft ihre Arme, mit zarten, sinnlichen Bewegungen. Der erste Kontrast zu den weichen Bewegungen ist der Klang ihrer Stimme, der an das Echoeffekt eines Berges erinnert. Derselbe Klang provoziert (oder ist es vielleicht umgekehrt?) eine schärfere Bewegung, dann noch eine, und dann noch eine. Das Bild entwickelt und verwandelt sich langsam bis zum Höhepunkt, wenn es so aussieht, als würde ein Teenager vor dem Spiegel die Bewegungen seines Lieblingspopstars nachahmen. Ab und zu hört man kleine Lacher im Publikum, denn die Kombination von Bewegung und Stimme wirkt äußerst lustig. Plötzlich rennt Eugénie hinter das Tuch. 

       

      Einer der Techniker des Tanzhauses kommt auf die Bühne und lässt das massive Tuch fallen. Licht an. Fünf Personen sind auf der Bühne zu sehen: ein Mann, der auf einem Stuhl neben einem Kleiderständer mit Rädern sitzt, eine Frau, sie steht auf einer Treppe, die leicht von der Bühnenmitte versetzt ist, eine Frau, die auf einer Holzpalette stehend; Eugénie, die an einem Klavier sitzt und eine Frau, die oben auf demselben Klavier sitzt. Auf der Bühne hängen zwei unterschiedlich große Vorhänge von der Decke, und auf der rechten Seite der Bühne steht eine Struktur, die an eine große weiße Leinwand erinnert. Durch einen verschleierten roten Faden führt eine Szene zur nächsten und so wird eine Abfolge von Bildern oder "Begegnungen", wie es in der Beschreibung der Performance heißt, präsentiert. Eine dieser Treffen hat das Publikum laut der Feedback-Runde während des Tanznachtischs besonders beeindruckt, da sie eine tiefgreifende Reflexion über Stereotypen im Tanz auslöste. Eugénies großzügige Kurven, wie eine Frau definiert, werden einer kleinen und schlanken Tänzerin (Marthe Krummenacher) angeboten, um sie zu erklettern. Welche Art von Körpern sind wir gewohnt, in einer Tanzaufführung zu sehen? Ist es so entscheidend im Tanz, einen schlanken Körper zu haben?

       

      Ein weiteres relevantes Bild beschreibt den Traum einer jungen Frau, Balletttänzerin zu werden. Eugénie redet mit jemandem (Naïla Vasarino), der hinter einem der aufgehängten Vorhänge steht. Die Stimme klingt wie die einer jungen Frau. Dann zieht Eugénie den Vorhang zur Seite und enthüllt die junge Frau, die eine Ballettübung ausführt: einen Grand Plie mit einem "port de bras". Die junge Frau nimmt einen großen Gegenstand, trägt ihn nach vorne auf die Bühne und gibt ihn Eugénie, die ihn auf den Boden stellt. Sie beginnt, einen goldfarbenen Teppich so auszurollen, dass eine Diagonale auf der Bühne entsteht. Sobald Eugénie auf dem Klavier spielt, beginnt die junge Frau, Ballettbewegungen auf dem Teppich auszuführen, völlig absorbiert und fasziniert von dem, was sie tut. Sie gibt sich ganz der Musik hin und beginnt, die vom Pianisten gespielte Musik zu summen.

       

      Besonders auffällig ist der Moment, als Eugénie sich der Person zuwendet, die in der ersten Reihe sitzt; Eugénie spricht sie sanft an, kommt leise näher und schenkt ihr ein warmes, einladendes Lächeln. Sie reicht der Frau die Hand, die ihre Jacke zusammenfaltet und Eugénie auf die Bühne folgt, wo sie Teil der Performance wird. So kommt der Tanz den Zuschauern näher. Die Energie, die durch diese Situation entsteht, erzeugt eine entspannte Atmosphäre. Diese Stimmung, gestützt durch die Reduktion der Bewegung auf ein Minimum, ermöglichte es, die Zerbrechlichkeit des Menschen dem Publikum nahe zu bringen.

       

      Es sieht aus wie ein "Rendezvous", eine Begegnung, das Ende der Aufführung. Fünf Personen stehen um das Klavier, das in die Mitte der Bühne gerückt wurde. Eugénie spielt eine ihrer Eigenkompositionen, die das Publikum den ganzen Abend begleitet haben. Trotz der provokanten Bilder teilten einige Zuschauer in der anschließenden Diskussion den Eindruck der Unklarheit über die Aufführung. Einige empfanden sie nicht als störend, sondern schätzten die nicht-lineare Abfolge der Ereignisse. Letztendlich beschrieb jeder die Energie von Eugénie als warm, großzügig und umarmend, so dass sich jeder willkommen fühlen konnte. "Die Aufführung war warm, einladend und zerbrechlich".

       

       

      Eugénie Rebetez - Rendez-vous

      Tuesday, November 29th, 20:00, Tanzhaus Zurich

      Choreografie, Komposition, Text und Inszenierung: Eugénie Rebetez

      Kreation und Spiel: Plume Ducret, Michael Fehr, Marthe Krummenacher, Naïla Vasarino, Leslie Philbert, Eugénie Rebetez

      Tanznachtisch Moderation: Tina Mantel

      Text: Valerio Porleri

       

      A semi-transparent grey-green cloth hangs from the ceiling and splits the back half from the front half of the stage. The audience is complete, and silence rises as the lights fade. Then black-out. Eugénie steps out of the cloth wearing a pink skirt with a long train and a black t-shirt to combine the elegance of a princess with the simplicity of everyday life. She softly moves her arms, making delicate, sensual movements. The first contrast to the softness of her movements is the sound of her voice, reminding of a mountain echo. The same sound provokes (or is it maybe the other way around?) a sharper movement, then another, and then another. The image slowly evolves and transforms to reach the apex as it looks like a young adolescent is emulating the moves of her favourite pop star in front of a mirror. Sometimes the audience produces little audible laughs because of the hilarity of the combination movements-voice. Suddenly Eugénie runs behind the cloth. 

       

      One of the technicians of the Tanzhaus comes on stage and lets the massive cloth fall. Light on. We see five persons on stage: one man sitting on a chair and close to a clothes stand with wheels, one woman standing on a stair slightly shifted from the centre of the stage, one woman standing on a wooden pallet, Eugénie sitting at an upright piano and a woman sitting on top of the same piano. On stage, two curtains of different sizes are hanging from the ceiling, and a structure, reminding of a big white screen, stands on the right side of the stage. Through a veiled red thread, one scene leads to the next to present a succession of images or “meetings” as the performance description defines them. One of them particularly caught the public, according to the feedback round during the Tanznachtisch, as it provoked a profound reflection on stereotypes in dance. Eugénie’s generous curves, as one woman defines, are offered to a tiny and slim dancer (Marthe Krummenacher) to be climbed up. What kind of bodies are we used to looking at in a dance performance? Is it so important in dance to have a slim body? 

       

      Another relevant image described the dreams of a young woman to become a ballet dancer. Eugénie talks to somebody (Naïla Vasarino) standing behind one of the curtains hanging. The voice sounds like the one of a young woman. Then Eugénie pulls the curtains at the side and uncovers the young woman practising ballet: a grand plie with a “port de bras”. The young woman then takes a big object, carries it to the front stage, and gives it to Eugénie, who puts it on the floor. She starts to unroll a gold-coloured carpet in such a way as to create a diagonal on stage. Once Eugénie plays the piano, the young woman starts to execute ballet moves along the carpet, wholly absorbed and amazed by what she is doing. She lets herself go as well, as she starts humming the music played by the pianist.

       

      The moment Eugénie turns to the person sitting in public in the first row caught especially attention; Eugénie talks to her gently, get closer softly, and offers a warm, inviting smile. She shows her hand to the woman, who folds her jacket and follows Eugénie on stage, becoming part of the performance. So that dance is coming closer to the spectators. The resulting energy, created through this situation, produced a relaxing atmosphere. This kind of atmosphere, enhanced by bringing the movement to the minimum, allowed humankind’s fragility to reach the public.

       

      It looks like a “Rendezvous”, a meeting, the end of the performance. Five persons, standing around the piano that has been moved to the middle front of the stage. Eugénie playing one of her compositions that accompanied the public the whole evening. Despite the provocative pictures, some spectators during the feedback round shared an impression of unclarity concerning the performance. Some did not perceive it as disturbing as they appreciated the non-linear order of the events. In conclusion, everybody agreed on defining Eugénie’s energy as warm, generous, and embracing, which allowed everybody to feel welcome. “The performance was warm, welcoming, fragile.”

    • SCH.NEE (2022)

      SCH.NEE – Nunzio Impellizzeri

      Kulturmarkt, Zürich, 29. Oktober 2022

      Tanz: Federica Aventaggiato, Lionel Ah-Sou, Claudio Costantino, Clémentine Dumas, Loar Labat Berrio, Katharina Ludwig

      Aufführungsimpression Tanznachtisch der TanzLOBBY IG Tanz Zürich

      Text: Mary Staub

      (English version below)

      Tanzinteressierte bilden eine lockere Schlange im Foyer des Kulturmarktes, während sie auf den Einlass zu Nunzio Impellizzeri’s 60-minütigem Stück "Sch.nee" warten. Bloss sechs Personen aufs Mal dürfen in den Theaterraum übertreten. Der Rest hält inne. Einmal durch die Tür geschritten, hält ein schwarzer Vorhang die Teilnehmenden erneut kurz auf, bis eine Tänzerin das Gewebe sachte zur Seite zieht, und die Zuschauer*innen über die Bühne und zu ihren Plätzen führt. Beim Überqueren der Bühne stoßen sie auf mehrere Tänzer*innen, die sich auf der Bühne und zwischen den Zuschauerplätzen dehnen, leicht aufwärmen, sanft Posen einnehmen. Das Publikum schaut zu, wie die nächste Gruppe von sechs Tanzerinteressierten den Raum betreten, die Bühne überqueren und ihre Plätze einnehmen. Und nochmals sechs, und nochmals sechs.  Das Publikum sieht zu, wie sechs Tänzer*innen im Bühnenraum sich weiter leicht bewegen, strecken, posieren. Manchmal fordert ein/e Tänzer*in eine/n Zuschauer*in zur Partnerarbeit auf, eine einfache Dehnungs- oder Bewegungssequenz. Die Trennung zwischen Tänzer*innen und Zuschauer*innen wird so verringert. Der Raum und die Zeit—der Übergang—von der Außenwelt zur Aufführungswelt wird derweil ausgedehnt, bis alle Zuschauenden sitzen und die eine Welt fliessend in die andere übergeht. 

      In "Sch.nee" erkundet der in Italien geborene und in Zürich lebende Nunzio Impellizzeri die Rolle von Lärm und Stille in unserer zunehmend hyperstimulierten Gesellschaft. Was ist Stille in diesem Kontext? (Wie) existiert Stille? (Wie) können wir mit Stille umgehen? Welche Rolle spielt die Stille in einer Gesellschaft, in der diejenigen, die am lautesten schreien, am weitesten kommen? Wenn der Lärm weg fällt, was füllt dann den Raum? 

      Als das Licht angeht, sitzen drei Tänzerinnen und drei Tänzer in einer Reihe, von der Bühne aus dem Publikum zugewandt, und halten die Blicke des Publikums fest. Langsam stehen die Tänzer*innen auf, behalten den Blickkontakt zuerst noch bei, während sie sich weiter in den Raum begeben. Die Brücke von Publikum zu Tanzenden wird dabei stärker. Sie tragen leuchtende, zweifarbige Basics: Shorts, T-Shirts, Hotpants, Trikots—leuchtendes Rot mit strahlendem Türkis; heißes Pink mit glänzendem Grün; kräftiges Orange mit glühendem Gelb. In diesen feurigen Zweifarben schreiten, ziehen, posieren und schneiden die Tänzer*innen exakte, bewegte Formen, mal allein, mal paarweise, mal als einheitliches Sextett. Breite Ausfallschritte werden breiter. Sie tauchen und drehen sich in tiefen Arabesken. In Barrel Turns attackieren sie den Raum mit fesselnder Präzision. Diese Bilder werden untermalt von einer crescendierenden elektronischen, perkussiven Klanglandschaft. Aus einem sanften Ton entwickelt sich ein leicht pulsierender, zunehmend rhythmischer, pochender elektronischer Sound, der die Tänzer*innen durchdringt. Sie schlagen, stampfen, springen. Sie pulsieren den Beat der Musik, der Beat pulsiert sie, treibt ihre Körper an, lässt ihre Körper aufeinanderprallen. Alles steigert sich—der Klang, die Geschwindigkeit, der Rhythmus, die Kostümfarben. Viele im Publikum nehmen den Beat auf, spiegeln den Puls der Tänzer, das Dröhnen der Musik, den Rhythmus der Körper auf der Bühne.  

      Plötzlich herrscht Stille.

      Und in dieser Stille hören wir wie die Körper atmen. Und in dieser Ruhe sehen und spüren wir deutlicher, wie die Körper sich bewegten. 

      Und plötzlich herrscht Dunkelheit. Und in dieser Abwesenheit von Licht und Lärm wird deutlich, wie laut die Farben schrien, wie intensiv die Musik pochte, wie präzise die Körper auf der Bühne Formen, Skulpturen und Bewegung in den Raum schnitzten. 

      In "Sch.nee" bilden solche ausgedehnte Blackouts durchlässige Unterteilungen zwischen den einzelnen Abschnitten des Stückes. Jeder Abschnitt ruft eine eigene Welt ins Leben, und diese fliesst ins Blackout hinüber. In der Stille des Blackouts wird das vorher kreierte noch deutlicher gehört, gesehen, gespürt. Diese dunklen, stillen Zwischenräume laden zum Reflektieren ein. 

      Ein Abschnitt von "Sch.nee" erinnert an eine Unterwasserwelt. Eine Figur gleitet dem Boden entlang, an eine Meeresschnecke erinnernd, mit einem hell erleuchteten Auge am Kopfende—ein surreales Bild, welches eine bezaubernde Atmosphäre entstehen lässt. (Ein Tänzer, der eine Tauchermaske trägt, die von innen leise beleuchtet ist.) In dieser Unterwasseratmosphäre, werden die Bewegungen der Tanzenden flüssiger, die Klangfarben gedämpfter, die Farben weniger schrill. Die Tänzer*innen tragen meist nacktfarbene, netzhafte Bekleidung, bewegen sich sanft wogend, die Konturen von Klang, Bewegung, Licht und Farbe sind weich. Manchmal klaffen die Münder fischartig auf, als ob Luftblasen atmend oder lautlos sprechend. 

      Hin und wieder in "Sch.nee" halten die Tänzer*innen inne, fixieren den Blick ins Publikum, laden dieses weiter in ihre Welt ein. Mit den Zeigefingern umrahmen sie die eigenen Nasen- und Mundwinkel—eine zarte Geste. Ein leises "ssssshhhh" ertönt. Der Titel "Sch.nee" setzt sich aus dem verstummenden Geräusch des "ssssshhhh" und dem stummen Element "Schnee" und einem verneinenden "nee" zusammen. 

      Im letzten Abschnitt erscheinen die Tänzer*innen überwiegend in Weiß, die voreinst grellen Farben verschwunden (verschneit?). Ihre Bewegungen sind gewichtet und zugleich leicht, als ob sie sich durch Schneewehen winden. Der Ton ist meditativ, hypnotisierend, als ob auch der Ton vom Schnee absorbiert wird. Plötzlich halten die Tänzer*innen eine weiße Kugel, an einen Schneeball erinnernd, im Mund, der Übergang fast unbemerkbar. Ein beunruhigendes Bild: Geknebelt zum Schweigen gebracht. Jedoch: Der Blick der Tänzer*innen verbleibt weich, sanft, vereint mit dieser Stille. Unmerklich verschmelzen sie zu kollektiven Skulpturen, die einzelnen Körper ineinander verflochten, bevor sie wieder zerfliessen um anderswo zu einer neuen Figur sich zu vereinen. Eine Tänzerin wird hochgehoben und getragen und gehalten, sanft geschaukelt und in Kreuzespose getaumelt. Der Fluss der Skulpturen hält das Publikum in einem meditativen Bann. 

      Im Anschluss an "Sch.nee" teilte eine kleine Gruppe von Zuschauern beim Tanznachtisch ihre Eindrücke aus dem Stück mit, während Nunzio Impellizzeri und Manfred Dachs zunächst zuhörten und am Ende Fragen aus dem Publikum beantworteten. Was das Publikum stark ansprach, waren die gegensätzlichen Qualitäten von Klang, Bewegung, Kostümen, Beleuchtung und Gesamtwelten, die in verschiedenen Abschnitten geschaffen wurden. Diese gegensätzlichen Welten bildeten ein Ganzes, wie auch Lärm und Stille zwar gegensätzlich, aber vereint sind. Auch unzählige skulpturale Bilder hinterließen starke Eindrücke—Tänzer*innen mit von Bällen gestopften Mündern; klaffende, fischähnliche Mäuler; Unterwasserwesen; leuchtende Farben; grelle Farben; unheimliches Licht; der Blick der Tänzer; das verstummende "sssshhhhhh". Das Publikum empfing diese Bewegungsbilder offen, ein Geschenk, welches die Tänzer*innen in "Sch.nee" ins Leben erweckten. 

      Der Übergang von Aussenwelt zur Theaterwelt wurde ähnlich offen empfangen—die anfängliche Nähe zwischen Publikum und Tanzenden ermöglichte den Zuschauenden noch intensiver selbst einen Teil der erschaffenen Gesamtwelten zu werden. Das Publikum erlebte die Verbindung zu den einzelnen Tänzern, und folgte körperlich und emotional zeitweise einer einzelnen Figur. Gleichzeitig genossen sie die Welten, die durch das Zusammenfließen von Klang, Licht, Farben und dem Kollektiv der Tänzer*innen entstanden. Das Publikum nahm die Erfahrungen, Bilder und Welten, die diese Tänzer*innen in den 60 Minuten so eindringlich verkörperten, dankbar auf—unzählige Geschenke, die es mit nach Hause nehmen konnte. 

      Ein Geschenk, welches in der Stille unserer Häuser uns weiter bescheren wird.

      SCH.NEE

      Künstlerische Leitung, Konzept und Choreografie Nunzio Impellizzeri

      Originalmusik Tarek Schmidt

      Tanz Federica Aventaggiato, Lionel Ah-Sou, Claudio Costantino, Clémentine Dumas, Loar Labat Berrio, Katharina Ludwig

      Licht- und Kostümdesign Nunzio Impellizzeri 

      Kostümproduktion Theama for Dance, Probenleitung Irene Andreetto, Outside Eye Silvia Scipilliti, Technische Leitung Viktoras Zemeckas, Produktionsmanagement Manfred Dachs

       

       

      SCH.NEE – Nunzio Impellizzeri

      Kulturmarkt, Zurich, October 29, 2022

      Dance: Federica Aventaggiato, Lionel Ah-Sou, Claudio Costantino, Clémentine Dumas, Loar Labat Berrio, Katharina Ludwig

      Impressions -  Tanznachtisch by TanzLOBBY IG Tanz Zurich

      Text: Mary Staub

       

      Dancegoers cluster, forming a loose line in the Kulturmarkt foyer as they await entry to Nunzio Impellizzeri’s 60-minute piece “Sch.nee”. Just six people at a time are allowed into the theater. The rest must slow down and wait. Once inside, a black curtain stops entrants short, causing them to pause once more. A dancer gently draws the fabric aside and shows the audience members across the stage and towards their seats. In crossing, they brush up against several dancers who are stretching, posing and warming up on the stage and in between audience seats. The audience watches further groups of six dancegoers enter the theater, cross the stage and find their seats. And another six. And six more. The audience observes as six dancers continue to make shapes, reach and loosen up throughout the theater. At times one of them invites a audience member to partner in a simple stretch or movement sequence. The separation between dancer and dancegoer is thus reduced, a bridge established. Meanwhile, the transition from outside world to performance world expands—an extended in-between—until all audience members are seated and one world flows into the other. 

      In “Sch.nee” Italian-born, Zurich-based Nunzio Impellizzeri explores the roles of sound and silence in our increasingly hyper-stimulated society. What is silence in this context? (How) does silence exist? (How) can we deal with silence? What role does silence play in a society where they who scream loudest are those who get farthest ahead? Once sound is gone, what fills that space? 

      As the lights come up, six dancers are sitting in a line, facing the audience from the stage, holding their gaze intently. As the dancers slowly stand and begin moving, their eye contact initially remains strong—the bridge between dancer and dancegoer thus reinforced. The dancers wear vibrant two-toned basics: shorts, t-shirts, hot pants, a unitard, a leotard—glowing red with brilliant turquoise; hot pink with radiant lime; bright orange and strong yellow. In these fiery two-tones, the dancers reach, pose and cut precise, moving shapes into space, sometimes alone, sometimes in pairs, sometimes in nuggets of uniformity, moving as a sextet through the room, first slowly then faster. They dip and turn in deep arabesques. In barrel turns they eat up space with captivating precision. They lunge, lunge further, and even further, until they can lunge no further and are drawn across the room. An electronic percussive soundscape supports the scenes. From a soft rumble it builds into a mildly pulsating, increasingly rhythmic, throbbing electronic sound that penetrates the dancers. Crescendoing. They beat, stomp, drill, jump. They pulse the beat of the music; the beat pulses them, driving their bodies, clashing their bodies against one another. Everything intensifies—sound, speed, rhythm, colors. Many in the audience pick up the beat, mirroring the dancers’ pulse, the music’s thrum, the rhythm of the bodies onstage.  

      And suddenly there is silence. And suddenly there is stillness. 

      And in this silence, we hear the bodies breathe. 

      And in this stillness, we see and feel more clearly how the bodies moved before.  

      And when the lights go out, and there is darkness, in this absence of light and sound, it becomes apparent how loudly those colors screamed, how intensely the music throbbed, how precisely, sharply, astutely those bodies carved shapes, sculptures and movement into space. In this silence the noise is visceral.  

      In “Sch.nee”, such extended silent blackouts form porous boundaries between individual sections, each one creating a distinct world that trickles into this stillness. In this calm in-between space, the previously created world is more deeply heard, seen and felt, magnified by the absence and inviting audiences to reflect. 

      One section of “Sch.nee” seems an underwater world. A creature slithers across the floor, like a sea slug with a brightly lit eye fixed atop its head, creating a surreal image and magical atmosphere. (A dancer wearing an old-school diving mask, lit up from within.) In this world, the dancers’ movements are smoothed, the sound is softened, and the colors are less loud, as though diluted by water. They wear mostly nude-colored netted costumes, undulate lightly and gently move through this world of soft contours. At times, they gape fishlike, as though breathing bubbles or producing soundless speech. 

      Throughout “Sch.nee”, the dancers pause briefly now and then, gazing fixedly into the audience, inviting the audience further into their world. They raise their fingers to delicately frame the corners of their nose and mouth. ‘Sshhhhh’. The title “Sch.nee” comprises the silencing sound of ‘sshhhh’ and the silent element of ‘snow’, or ‘Schnee’ in German, and the negation ‘no’, or ‘nee’ in German. (Perhaps ‘sshhhhhs.no’ in English would be equivalent.)

      In a final section, the dancers appear in mostly white, the earlier colors whited out (by snow?). Their movement is weighted yet sinuous, as though moving through a snowscape. The soundscape is muted, meditative, mesmerizing. Snow absorbs sound. Each dancer suddenly holds a bulging white ball (a snowball?) in their mouth—an unnerving image of being gagged into silence. Yet, the dancers’ gaze remains soft, gentle, at peace with this sound of silence. Almost imperceptibly, the dancers merge into group formations, creating brief living sculptures, before melting away to mould into a new formation elsewhere. One dancer is lifted and carried and held and softly swayed and tumbled in crucifix pose. The sculptures develop and dissolve fluidly with a meditative gracefulness. 

      After “Sch.nee”, during Tanznachtisch (an audience talk-back led by members of TanzLOBBY), a small group of audience members shared their impressions from the piece as Nunzio Impellizzeri and manager Manfred Dachs initially listened and later answered questions. What resonated strongly with the audience were the contrasting qualities of sound, movement, costumes, lighting and overall worlds that were created in different sections. These contrasting worlds formed a unity, just as the opposites of sound and silence are part of a whole. Also, innumerable sculptural images remained vivid—white balls protruding from mouths; gaping fish-like mouths; underwater creatures; an eerie light; vibrant colors; the dancers’ gaze; the silencing ‘sssshhhhhh’. The audience received these moving images openly, as gifts brought to life by the dancers through “Sch.nee”. 

      Similarly, the initial transition from outside world to performance world, slowed down and with a connection to the dancers, was warmly received. Several audience members indicated being more involved with the individual dancers throughout the piece as a result, viscerally following one dancer or another at different times. At the same time, they found themselves yearning to follow the whole—the melting together of sound, light, colors, collective dancers into distinct world. The experiences, images and worlds brought to life so viscerally by these dancers throughout the 60 minutes of “Sch.nee” were experienced as gifts to be taken along and savored at home. 

      A gift that keeps giving in the silence of our homes. 

       

      SCH.NEE 

      Artistic direction, conception, choreography Nunzio Impellizzeri

      Original music Tarek Schmidt 

      Dance Federica Aventaggiato, Lionel Ah-Sou, Claudio Costantino, Clémentine Dumas, Loar Labat Berrio, Katharina Ludwig

      Light and costume design Nunzio Impellizzeri

      Costumes Theama for Dance; Rehearsal direction Irene Andreetto; Outside Eye Silvia Scipilliti; Technical director Viktoras Zemeckas; Production management Manfred Dachs

    • Slow Burn (2022)

      Aufführungsimpression, Tanznachtisch der TanzLOBBY IG Tanz Zürich, Gessnerallee 15.5. 2022

      Slowburn / Benjamin Burger

      Slow listening - so lautet ein Artikel der australischen Theaterwissenschaftlerin Helena Grehan. Langsames Zuhören „(…) requires the listener to pause and pay attention, or to tune-in to the mode of address, the scene, gesture and tone, the language used and the broader political or social context within which the speaking occurs. It is an act in which the listener is attuned to the speaker in a way that makes room for a range of responses – the possibility of deep understanding and agreement, for partial acceptance, for dissonance or disagreement as well as for misunderstanding.“

      Innehalten, aufmerksam-sein, sich einschwingen auf das Gegenüber, auf die Szene, Gesten (Körper), Sprache, Töne. Sich dem Gegenüber öffnen, Möglichkeiten schaffen, für tiefes Verständnis und Einvernehmen, für Teil-verständnis, aber auch für Ablehnung und Unverständnis. Aber vor allem, sich dem Gegenüber Zuwenden.
      Obwohl es im oben genannten Zitat offensichtlich primär ums Zuhören, also um eine auditive Erfahrung und weniger um das Zuschauen geht, soll die Idee des achtsamen Zuhörens auf die Betrachtung, das Erleben eines performativen Bühnenstückes übertragen werden.
      Benjamin Burgers Slowburn, ein ca. 60 minütiges Stück, welches sich zur Aufgabe gemacht hat, Britney Spears’ Song ‚Toxic’ (2003) und die dazugehörige Bühnenchoreographie 16-fach verlangsamt auf die Bühne zu bringen, stellt sich mit dieser choreografischen Versuchsanordnung entschieden gegen das Tempo unserer Zeit. Gleichzeitig ist es in gewisser Weise auch eine Befragung an den Song, an die Choreografie Britney Spears selber. Was passiert mit einem Popsong der 00-Jahre mitsamt seinem pop-kulturellen Kontext, wenn dieser ein vielfaches verlangsamt rekonstruiert wird?
      Das Setting: Ein fast leerer rechteckiger Raum von ca. 150m2 Grösse, durchzogen von einigen Holzsäulen. Mittig eine kreisrunde Anordnung von in gleichem Abstand herabhängenden Lichtröhren, die, raumgestaltend, eine eigene Stimme im Stück übernehmen und, wie auch der leichte Nebel in der Luft, die Atmosphäre im Raum beeinflussen. Es dominiert die Farbe weiss am Boden, an Wänden, auch die Holzsäulen sind hell.  Wir treten ein in eine zeitlich, wie räumlich entrückte Bühnenwelt. Das Publikum sitzt - ohne Schuhe - am Boden, verteilt zu allen vier Seiten. Zwei Performer (Benjamin Burger/ Benjamin Spinnler), eine Performerin (Marie Popall) allesamt in Turnschuhen, sportlichen Hosen, bisschen Glitzer, bisschen Asymmetrie, hip.
      Die Performance: Bevor sich die Körper in Bewegung setzen, bewegen sich Stimmen, es wird eingezählt. Die Zahlenreihe 1-8 entspinnt sich, abwechselnd gesprochen, unter den PerformerInnen. Dann folgt 16-fach verlangsamt, überwiegend synchron, aber mit unterschiedlicher körperlicher Ausrichtung im Raum die Bewegungsabfolge der Original-Choreografie. Dazu ein gewaltiger Soundteppich: tiefes Rauschen, gezerrtes hohes Flimmern, metallenes Stimmengewirr im Wechsel. Von treibenden 143 bpm keine Spur, eher ein wellenartiges Kommen und Gehen intensiver Geräuschkulissen, welche einerseits vielfältig Raum für Assoziationen bieten, die Zuhörenden aber auch zu erschlagen vermögen, sie lähmen, oder negativ stimmen. Welch unterschiedliche Resonanz die musikalische Ebene des Stücks hervorrief, wurde u.a. auch im anschliessenden Publikumsgespräch deutlich.
      Das sich wiederholende Bewegungsmaterial der PerformerInnen zeigt einfache Schritte vor- und zurück, laszives Hüftschwingen, weit gestreckte Arme, nach oben, zur Seite, nach unten. Fingerzeig ins Publikum, in die Luft, Hände an den Kopf, an die Hüfte, an den Bauch, über die Brust. All dies in einer konsequent durchgezogenen Langsamkeit, welche grosse bewegerische, wie atmosphärische Dichte hervorbringt. Das stetige Gespannt-sein, über fast 60 Minuten hinweg den Körper nie erschlaffen lassen, dem Diktat des Metronom folgend, - eine grosse performerische Leistung.
      Auch ich als Zuschauende werde im Erleben dieser Langsamkeit herausgefordert und merke schnell: das ist ungewohnt, das ist auch anstrengend. Was sich dann aber einstellt ist ein Eintauchen und sich einnehmen lassen von äusserst zugewandt und achtsam ausgeführten Bewegungen. Es fängt an gut zu tun, dies zu beobachten und weckt die Lust mitzugehen, den eigenen Körper in einer derartigen Langsamkeit mitzubewegen, im Hier und Jetzt. Vereinzelt durchschneiden explosive Bewegungsmomente die Langsamkeit, ein gemeinsamer Klatscher zum Beispiel. Dieser wiederum löst einen laufenden Lichtkreis aus; ein temporeicher Moment, der uns Pause gönnt von der Langsamkeit, der wir, in dieser Intensität und Konsequenz, selten ausgesetzt sind.
      Staunend lässt sich feststellen was ein derartiger Eingriff in das Tempo eines Musikstückes, nämlich eine simple Verlangsamung des Grundpulses, hervorzubringen vermag. Voraussetzung für die Neuentdeckungen in der Langsamkeit ist, wie eingangs beschrieben, und im Sinne eines Slow-Listenings, das bewusste Einlassen, das ‚to tune-in‘ auf das Gegenüber, sei es Musik, Bewegung oder Sprache. Es ist eine Haltung, eine Haltung, die uns im 21. Jahrhundert schwer fällt, gleichsam ein Bedürfnis ist. In diesem Sinne ist auch die Idee des Stückes zu verstehen. (Slowburn ist die zweite ästhetische Untersuchung innerhalb eines mehrjährigen Kunst- und Forschungsprojekt States of Exhaustion). Sich dem Tempo der Zeit entgegenstellen, Widerstand leisten, ganz konkret im Akt der Verlangsamung eines spezifischen Tempos, aber auch Widerstand bieten, ständig Neues zu erschaffen. Dafür steht der Rückgriff auf altes Material, auf bestehendes Sound- und Bewegungsmaterial, was zwar manipuliert, aber in seiner ursprünglichen Form als fixes Ausgangs- und Arbeitsmaterial für Slowburn genutzt wurde.
      Es bleibt vielleicht zu fragen, in wie weit die Lautstärke der Soundkulisse auch zu einer Entschleunigung beiträgt und wie die Reduktion dieser die Wahrnehmung des Stückes beeinträchtigt hätte. Denn, es ist nicht nur das Tempo was uns müde macht, es ist auch die fehlende Stille hin und wieder. Luisa Funk

      Slowburn

      Von Benjamin Burger

      Mit Marie Popall, Benjamin Spinnler

      Sound-Design Ernesto Coba Antequera
      Bühne Thomas Giger

      Styling Henriette Herm

      Produktionsleitung Antje Czudaj, Daniela Guse

      Oeil Extérieur Sabina Aeschlimann, Mona de Weerdt

      Unterstützt von Stadt Zürich, Schweizer Interpretenstiftung

      Koproduktion Gessnerallee Zürich

    • Scalable Skeletal Escalator (2022)

      ENGLISH FURTHER DOWN 

       

      Scalable Skeletal Escalator - Isabel Lewis and Collaborators, The Field

      Tanzhaus Zürich, 2. April 2022

      Mit Lucia Gugerli, Pierre Piton, Declan Whitaker, Mirjam Jamuna Zweifel, Rafal Pierzynski

      Aufführungsimpression Tanznachtisch der TanzLOBBY IG Tanz Zürich

      Text: Valerio Porleri

       

      Blaue Füße und orange Ohren am Eingang der Bühne 1 des Tanzhaus Zürich für die Performance "Scalable Skeletal Escalator" von Isabel Lewis and Collaborators, The Field. Der weisse Boden erklärt den Grund für den blauen Schuhschutz. Die Ansammlung der Lautsprecher auf der Rückseite des Raumes erklärt, dass die Musik laut sein wird und wir die orangefarbenen Ohrstöpsel brauchen werden.

      Die vier Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich auf dem Boden zwischen den gleichmäßig angeordneten Tribünen, umgeben von trennenden Kunststoffstrukturen und riesigen, von der Decke hängenden Malereien. Ihre Bewegung, die von Leichtigkeit und geringer Spannung geprägt ist und bei der die Gliedmaßen von der Körpermitte zur Peripherie gleiten und winken, lädt die Zuschauenden zum Sitzen ein. Beim Gespräch nach der Aufführung, dem "Tanznachtisch", organisiert von der TanzLOBBY IG Tanz Zürich, teilten einige Zuschauer:innen ihr Erstaunen über die Bewegungsqualität der TänzerInnen mit.

      Das Publikum wird sofort von den klickenden Klängen, die im Raum widerhallen, und den schmelzenden Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer, die ganz in einer anderen Welt zu versinken scheinen, angezogen. Wie im Gespräch nach der Aufführung ausgesagt, wird die recht komplexe Beschreibung des Stücks etwas klarer, wenn die Tänzerinnen und Tänzer beginnen, die ursprüngliche Raumsituation umzugestalten. Eine Tänzerin nähert sich einer anderen, indem sie sich wie eine Schlange schlängelt und so eine plötzliche Kettenreaktion in der Umgebung auslöst. Als Reaktion darauf betritt ein weiterer Tänzer den Raum, um das Team zu vervollständigen, was in allen Körpern eine starke Reaktion hervorruft. Ein Tanz aus frenetischen Bewegungen, der für alle ansteckend ist, überwältigt den Raum zusammen mit der erhöhten Lautstärke der Musik. Überspannte Muskeln, flinke Sprünge, plötzlicher katzenartiger Lauf auf allen Vieren.

      Starke Bilder reihen sich aneinander: ein Käfig, der an Isolation erinnert, Körperzuckungen, die schwer lesbares Leiden andeuten, Schichten, die an Zellmembranen erinnern und die TänzerInnen voneinander trennen. In einer wirbelnden Abfolge von tierisch inspirierten Moves, gewürzt mit Bewegungen, die einer traditionelleren Tanzästhetik entstammen, wird der Zuschauer von den Veränderungen des Schauplatzes verschluckt.  Ist dies der Holobiont, auf den sich die Künstlerin Lewis beziehen möchte? Das Publikum wird Teil der Aufführung, wenn einer der Tänzer durch die Menschen kriecht und die vierte Wand durchbricht. Nacheinander betreten die Tänzer:innen die Publikumstribüne, oder ist es andersherum? Die letzte verbliebene Tänzerin auf der Bühne bewegt einen auf Rädern montierten Spiegel auf uns zu und lässt das Publikum von der linken auf die rechte Seite spiegeln.

      Jetzt sind wir an der Reihe. Eine Stimme, vielleicht aufgenommen, vielleicht live, ermöglicht eine kurze somatische Erkundung, um unsere Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper zu lenken. Die scheinbare Entspannung, die sich aus dieser Erkundung ergibt, wird durch immer lautere Geräusche, die den ganzen Raum ausfüllen und in Vibrationen hör- und spürbar werden, gestört; ähnlich würde es in einem 4D-Kino ablaufen. Die computergestützte Klanglandschaft startet wie ein System-Reset nach einem todähnlichen Ereignis neu. Auch die Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer starten auf nicht-lineare Weise neu und scheinen keine eindeutige Bedeutung zu haben. Als ob sie die Bewegungen des Lebens wiedergeben würden, unabhängig von bestimmten Absichten. Braucht das Leben einen Grund, um zu geschehen? Die Tänzerinnen und Tänzer lassen das Publikum mit Fragen über die Wiederholung systemischer Strukturen, Grenzen, Inklusivität, die Collage verschiedener Entitäten und das Vergnügen am raffinierten und geschickten Tanzstück zurück.

      Text: Valerio Porleri für Tanzlobby IG Tanz Zürich

      ENGLISH

      Scalable Skeletal Escalator - Isabel Lewis and Collaborators, The Field

      Tanzhaus Zürich, 2. April 2022

      With Lucia Gugerli, Pierre Piton, Declan Whitaker, Mirjam Jamuna Zweifel, Rafal Pierzynski

      Blue feet and orange ears at the entrance of Bühne 1 of Tanzhaus Zurich on April the 2nd for the performance “Scalable skeletal escalator” by Isabel Lewis and Collaborators, The Field. The white floor explains the reason for the blue shoe protection. The assemblage of speakers placed at the backside of the performance space explains that the music will be loud, and we will need the orange earplugs.

      The four dancers move on the floor between the equally placed platforms, surrounded by plastic partitioning-like structures and giant paintings hanging from the ceiling. Their movement, characterised by lightness and low tension, with their limbs sliding and waving from the body’s centre towards the periphery, invited the spectators to sit down. During the talk after the performance, the “Tanznachtisch”, organised by TanzLOBBY IG Tanz Zürich, some spectators shared their amazement at the dancers’ movement quality.

      The public is immediately drawn in by the clicking sound that resonates in the room, and the melting movements of the dancers, who seem entirely absorbed in another world. As expressed in the talk after the performance, the piece’s rather complex program description becomes a bit clearer when the dancers start to reorganise the original space setting. One dancer gets closer to another by slithering in a snake-inspired manner, inducing a sudden chain reaction in the environment. In response, another dancer enters the space, completing the group, which provokes a strong reply in all bodies. A contagious dance of frenetic moves overwhelms the space together with increasingly louder music. Hypercontracted muscles, nimble jumps, sudden catlike runs on all fours.

      Strong pictures succeed one another: a cage reminding us of isolation, body convulsions hinting at hard-to-read sufferance, layers reminiscent of cellular membranes separating the dancers from each other. In a whirling succession of animal-inspired moves seasoned by movements deriving from more traditional dance aesthetics, the spectator gets swallowed by the changes in the setting.  Is this the holobiont the artist Lewis would like to refer to? The audience becomes part of the performance as one of the dancers crawls through the people breaking the fourth wall. One after the other, the dancers enter the auditorium, or is it the other way around? The last remaining dancer on stage moves a mirror mounted on wheels towards us and then lets the public mirror itself from the left to the right side.

      It is our turn now. A voice, perhaps registered, perhaps live, facilitates a somatic-based brief exploration to draw our attention to our own body. The apparent relaxation deriving from this exploration is strongly disrupted by always louder sounds that become audible and perceivable through the vibrations that fill up the whole space; like in a 4D cinema setting. The computer-based soundscape starts again like a system reset after a near- death event. So too the dancers’ movements restart in a non-linear manner without a clear meaning. As if to reproduce the motions of life which are happening, without a specific purpose. Does life need a reason to happen? The dancers leave the audience behind with questions about the repetition of systemic structures, borders, inclusivity, a collage of diverse entities, and the pleasure of this refined and skilled dance piece.

    • M.A.D. (2020)

      m.a.d. Aufführungsimpressionen

      Valerie Reding: m.a.d. (mutually affirmed deviance) im Tanzhaus Zürich, 3.-8. November 2020

      Text: Evelyn Klöti

      Nicht nur die freie Szene – aber diese ganz besonders – befindet sich coronabedingt in einer prekären Arbeitssituation. Zukunft ungewiss. Allen Widernissen zum Trotz wird geprobt, gearbeitet. Was für ein Glück, dass Valerie Redings Produktion im Tanzhaus Zürich gezeigt werden konnte, zwar nur vor jeweils 50 Menschen, aber immerhin. Und die Reaktionen des Publikums – mit Masken bewehrt und im Schachbrettmuster angeordnet – zeigten, wie dankbar man ist, überhaupt ein tolles Stück sehen zu können, und wie viel an Bewegung und Nähe uns momentan fehlt und fehlen wird.

      Valerie Reding arbeitet an der Schnittstelle von Tanz, Performance, Fotografie und Video – «Visuals» im weitesten Sinn – und inhaltlich erforscht sie das Potential von Verletzlichkeit, Empathie, Transformation, um Gender-Rollen und sexuelle Normen, Identitäten und Körper in Frage zu stellen. Im Vergleich mit ihrem Solo «Wild Child» (2018) gibt sie sich im neuen Gruppenstück «m.a.d.» zurückhaltender und lässt ihren Co-Performern viel Raum.

      Eine netzartige, schleimbedeckte Struktur hängt von der Decke herab - eine Nabelschnur? An ihrem Ende, eng umschlungen, ein Menschenknäuel. Die Performer*innen stecken in Plastikanzügen, die Gesichter unter Kapuzen versteckt. Dann und wann reckt sich ein Turnschuh, eine Hand mit lackierten Fingernägeln, um gleich wieder im Gewimmel zu verschwinden. Die Abnabelung der Drillinge erfolgt in Slow Motion: gesichts- und orientierungslos rollend, robbend, an den Wänden sich stossend. Bis sich der erste aufrichtet – ein atemberaubender Moment!

      Gleichwohl lassen sich die Performer*innen viel Zeit, bis sie uns ihre Gesichter zeigen. Angetrieben durch die sensationellen Beats und Stimmungen von Ivy Monteiro am DJ-Pult lassen sie vorerst ihre Hüften rotieren. Jede*r für sich allein: gegen die Wand, den Blick gesenkt, die Hände zu Fäusten geballt. Das hat etwas Verzweifeltes, fast schon Autistisches, das weh tut. Aber die Körper – der Po im Fokus – werden durch den glänzenden Tanzteppich gespiegelt, verdoppelt und durch das raffinierte Licht von Thomas Giger so schön als Schatten an die Wände geworfen, dass die amorphen, pulsierenden Formen in kräftigem Pink wohltuende Lebensenergie und -lust erwecken.

      Der zweite Teil von «m.a.d.» fokussiert die Sprache, den Protest gegen Heteronormativität und Gewalt. Was sich an Verletztheit bei Bastien Hippocrate noch in Ächzen und Stöhnen äussert, kulminiert in einem wütenden Rap von Rafał Pierzyński, der Schimpfwörter auf Polnisch ins Mikrophon schreit. Das «Spit!»-Manifest von Carlos Maria Romero (2017) ist dabei nur eine, aber eine gewichtige, Inspirationsquelle für dieses Stück, dessen Titel Valerie Reding, lasziv in den Seilen hängend, auf Französisch erklärt: «m.a.d.» ist eigentlich die Abkürzung für «mutually affirmed destruction» - wechselseitig zugesicherte Zerstörung während des Kalten Krieges, zu deutsch: Gleichgewicht des Schreckens. Die Choreografin macht jedoch «mutually affirmed deviance» – wechselseitig zugesichertes Abweichen von der Norm – aus der MAD-Doktrin und sprengt so den Teufelskreis aus Diskriminierung und Hass. Selbstermächtigung lautet die Devise. Damit wir nicht «mad» – krank und verrückt – werden. Und dafür braucht es wohl auch Humor, z. B. in Form des synchronen Gruppentänzchens, und grosse Gefühle, gar Pathos, wie in Ivy Monteiros Schlusssong «My Body is a Cage» von Arcade Fire. Empathie zu erwecken und für Abweichung und Ausbruch zu sensibilisieren, ist Valerie Reding und ihren Kollaborator*innen mit «m.a.d.» auf allen Ebenen gelungen. 

      «Hat das gut getan!», war der Konsens der beim Tanznachtisch anwesenden Menschen, fast alles Performer*innen, die zu Bewegungen griffen, wenn die Worte fehlten, um die rotierenden Hüften, das «ass shaking» oder «spine work», zu benennen. Das Stück – typisch 2020 – passe gut in unsere ver-rückte Zeit und führe vor Augen, wie sehr wir den Körperkontakt, die Nähe und Wärme, die Bewegung vermissen – und die unmaskierten Gesichter. Besonders in der Szene mit den ekstatischen Club/Disco-Bewegungen in Slo-Mo hätte man am liebsten mitgetanzt, weil einem das Ausgehen, das Austoben so sehr fehle. Die älteren Semester fühlten sich auch an die Nullerjahre erinnert, hoben den Retro-Schick bei den Kostümen hervor und die Qualität der Musik.

      Auf Anklang stiessen auch die digitalen Zugänge für die Vor- oder Nachbereitung des Stücks, die vom Tanzhaus Zürich gut vermittelt wurden: Der Link Tree von Valerie Reding gibt Hinweise auf die Recherche und Einblicke in ein spannendes «queerleskes» Universum. Nora Smith (Oil Productions) erstellte Live Videos der Aufführungen – zum Nach- oder Wiederschauen, u. a. für jene, die keinen Platz im Tanzhaus ergattern konnten.

      https://vimeo.com/valeriereding

      www.valeriereding.com

       

       

       

      Evelyn Klöti, 11.11.20

       

       

    • Ding Dong (2020)

      Stück von Lucie Tuma, Aufführung in der Gessnerallee am 29.11.2020

      Text: Tina Mantel, 13.10.2020

      Am Anfang hören wir nur die Glocken, die an weidende Kühe und Umzüge in Bergdörfern erinnern. Im Gegenlicht sind die Tänzer*innen nur schemenhaft erkennbar, wir wenden uns ganz dem Klang zu. «Ding Dong», der Titel ist Programm und kündigt eine Auseinandersetzung mit Unterbrechung und Kontinuität an. Mit Glocken die Übergänge markieren, auch heute noch, denn ihre digitalen Nachfahren erreichen nie die Schlagkraft ihrer analogen Vorbilder.
      Als das Licht den ganzen Bühnenraum ausfüllt sehen wir die repetitiven Schwung-bewegungen der drei Tanzenden in der neu und grösser wirkenden Halle Ost der Gessnerallee. Zuerst scheinen die Glocken in ihren Händen die Bewegungen zu steuern, mit der Zeit übernehmen die Tänzer*innen die Führung, weichen vom gleichförmigen Muster ab, überraschen mit einer Sprungsequenz, die neue akustische Signale hervorbringt. Ihre wiederkehrenden Schrittmuster und der neutrale, konzentrierte Ausdruck erinnert an frühe Stücke der belgischen Choreografin Anne Teresa de Keersmaeker. Doch das Stück bleibt nicht auf dieser Ebene der Abstraktion, die den Zeitgenössischen Tanz in den 1980er Jahren auszeichnete. Die Tanzenden flechten Sprache in ihren Tanz ein, Worte die wiederholt werden und nachhallen wie das Tönen ihrer Glocken.

      An der Wand hängt ein viertes Kostüm – ein überdimensioniertes Football Shirt mit der Nummer 11. Das Blau erinnert an Uniformen des Pflegepersonals. Die Pandemie, die den Probenprozess und uns alle in den letzten Monaten geprägt hat, ist spürbar. Wir sehen und hören den vierten, abwesenden Tänzer in einer Projektion. Sein dringlicher Aufruf, dass jetzt etwas getan werden müsse, dass jedem Ding ein Dong folgen müsse, bleibt mir vor allem als Zeichen für alle Performer, die Aufführungen absagen mussten, in Erinnerung. Auch der unsere Nasen umschmeichelnde Duft, der zwischen den Zuschauerreihen verteilt wird, mahnt an seine übelriechenden Gegenspieler, die Desinfektionssprays.

      Lucie Tuma und ihr Team sprechen alle unsere Sinne an. Auch mit der überdimensionierten Plastikglocke, einer wunderschönen Skulptur, die nicht klingen kann, aber ihre Schwingungen als farbige Lichtspiele auf die Wände des kahlen Bühnenraumes sendet. Die Tänzer*innen sitzen und liegen darunter in einem sehr verlangsamten Picknick – zum ersten Mal wird hier das Vergehen und Anhalten der Zeit fassbar. Dann wird die meditative Atmosphäre des Stückes durchbrochen. Wir werden direkt angesprochen mit Fragen, die keine Antwort verlangen, sondern in unserem Innern nachhallen wie die berühmte Frage nach dem Klang einer klatschenden Hand: «Would you rather never have Sex again – or have your parents watch you having Sex every three months?”
      Übernimmt der Tänzer (die Namen der Darsteller sind aus der Medienmitteilung nicht ablesbar) die Rolle des Zen Meisters? Unterhaltend sind seine Überlegungen auf jeden Fall.

      Im angeregten Tanznachtisch Gespräch im Anschluss an die Aufführung, wurde von einem Trip gesprochen, zu dem uns das Stück eingeladen hat. Dass Geräusche, Glocken und Musik wichtige Träger der Atmosphäre waren. Dass wir als Zuschauende aus dem Stück heraus, in unsere eigene Gedankenwelt gefallen sind. Und dass unsere Aufmerksamkeit immer wieder gewonnen wurde. Wie zum Beispiel durch das sehr langsame Einsetzen der Ohrstöpsel durch die Tanzenden – das uns äusserst sanft darauf hingewiesen hat, es ihnen gleich zu tun. Obwohl das Schwingen der grossen Glocken unsere Ohren ungleich weniger belastet hat, als die der Tänzer*innen.

      Mir bleibt als Gesamteindruck, dass hier mit viel Sorgfalt Tanz, Sprache, Klang, Licht und Bühne zu einer einheitlichen Sprache verwoben wurde, die durch ihre Sparsamkeit viel Raum für die Assoziationen des Publikums zulässt, und leise nachhallt.

      Tina Mantel, 13.10.2020

    • The Tuning Research Group (2020)

      The Tuning Research Group – Ein zweistündiger Event

      Instant Composition Festival, Zirkusquartier, 8.März 2020

      Mit: Peter Aerni, Sunita Asnani, Gianna Grünig, Chris Lechner, Angela Stöcklin, Ivan Wolfe

      Text: Tina Mantel, 14.3.2020

       

      Es ist eine kleine Gruppe von Anhängern der Instant Composition, die sich an diesem Sonntagabend zum letzten Event des gleichnamigen Festivals im Zirkusquartier zusammenfindet. Die Stimmung ist locker, wir sind vorbereitet auf einen zweistündigen Event wo das Publikum eingeladen ist, «nach eigenem Bedürfnis beizuwohnen, sich zurückzuziehen, wiederzukommen.» (Programmtext)

      Die fünf Tänzerinnen und Tänzer aus Bern und Zürich (Ivan Wolfe ist verletzungshalber nicht auf der Bühne) sind in reger Aktion, als wir eintreten. Wir verteilen uns auf den Stühlen, die in vier Ecken auf der Bühne verteilt sind, oder auf der kleinen Zuschauertribüne. Von diesem Moment an beginnt das Eintauchen in einen Raum der Aufmerksamkeit und Präsenz, der die Tanzenden umgibt wie ein Gewässer. Keine choreografische Hand ordnet die fliessend oder abrupt auftauchenden Bewegungen. Alles bewegt gleichzeitig in einem dichten Geflecht von Linien, Kurven, Schnörkeln und Sprenkeln, gezeichnet von fünf Körpern im Raum. Als Beobachterin habe ich die Wahl, wohin ich meine Aufmerksamkeit schicke, wie lange ich bei einer Tänzerin verweile oder ob ich versuche, das Geschehen als Ganzes wahrzunehmen. Meine Augen werden zur choreografischen Instanz, die eine Struktur sucht im Bewegungsfluss, der sich von Moment zu Moment entfaltet.

      Entziffern – das ist es, womit ich immer wieder beschäftigt bin an diesem Abend.

      Zunächst möchte ich die verschiedenen Körper und ihr Bewegungsvokabular aufschlüsseln: Eine Tänzerin scheint mit dem ganzen Körper zu atmen, ihre Bewegungen strömen in den Raum bis sie in einer Suspension anhalten. Ein Mann bleibt jeweils einer Bewegung treu, wiederholt sie mehrmals, wie um sie besser kennen zu lernen. Angela Stöcklin, die auch Initiatorin des Festivals ist, zeigt einen Bewegungsfluss der überrascht, organisch und doch schwer vorhersehbar. Ein Mann ist schwer zu fassen, sprunghaft ändert er seine Bewegungsqualität und -richtung. Die fünfte Tänzerin wirkt geerdet, sinnlich, den Impulsen aus dem Becken folgend.

      Es dauert etwa zwanzig Minuten, bis ich diese unterschiedlichen und doch sehr verwandten Bewegungssprachen für mich eingeordnet habe. Das weiss ich, weil eine Uhr gut sichtbar an der Wand lehnt und ich verfolgen möchte, was mit meinem Zeitgefühl geschieht während diesem Event. Ich spüre keine Unruhe oder Erwartung, sondern Offenheit für das, was noch kommt.

      Plötzlich stellen sich alle an den Rand der Bühne und später erfahren wir, dass jetzt die Tuning Scores nach Lisa Nelson beginnen. Der Auftakt war «nur» das Aufwärmen, bei dem ich gut noch länger hätte zuschauen können. Doch nun werden Anordnungen gerufen und befolgt, und ein weiterer Entzifferungs Prozess beginnt: was bedeuten die Worte (leider zu leise gesprochen) und wie werden sie von den einzelnen Tänzerinnen und Tänzern beantwortet. «Go, enter, pause, replace, end, single image, fast forward, repeat …» sind «Calls» welche die Tanzenden einander von aussen oder von innen geben. Eine Spielanordnung wie man sie kennt, wenn man sich mit improvisiertem Tanz beschäftigt hat. Was hier aussergewöhnlich ist: die Performer tanzen (fast) ausschliesslich mit geschlossenen Augen, und die Anordnungen kommen von den Tanzenden selbst. Das unterstreicht ihre Rolle als Komponist*innen der im Moment entstehenden Choreografie.

      Lisa Nelson ist eine amerikanische Tanzschaffende, die sich seit den 1970er Jahren mit Improvisation und Instant Composition auseinandersetzt. Seit den 1990er Jahren arbeitet sie mit The Tuning Score, ein Kommunikations und Feedback System für eine Gruppe von Spielern, die gleichzeitig als Regisseure, Performer und Zuschauer agieren. The Tuning Score wurde in Museen und Kunstzentren auf der ganzen Welt praktiziert. Doch ist er nicht nur eine performative Struktur sondern wie Lisa Nelson beschreibt:

      a diagnostic tool for human behaviour at large, it makes us consider movement ideas and possibilities that are normally left out of the picture, with an eye for the unravelling idiosyncracies, cultural decorum and our survival of their intricate intertwinings.

      Zurück auf die Bühne, wo das Spiel von verbalen Anleitungen, den Calls und ihrem Befolgen auch etwas Repetitives hat. Darf rebelliert werden? Etwas anderes gemacht werden als gerufen wurde? Die Calls von innen, von den Tanzenden selbst, sind da eine willkommene Abwechslung. Das «end» einer Solistin setzt einen befriedigenden Schlusspunkt, ohne Pathos. Und ja, sie tanzen immer noch mit geschlossenen Augen. Dafür müssen sie ihren kinästhetischen Sinn und die Rezeptoren auf der Oberfläche ihrer Haut extrem schärfen. Im Publikumsgespräch wird von einer Art Nebel gesprochen, der um die Performer*innen herum wahrnehmbar ist. Die Luft verdichtet sich in gewissen Momenten, wenn Übereinstimmungen zwischen zwei oder mehr Tänzerinnen entstehen, die nur von aussen sichtbar sind. Das hat etwas Magisches und berührt, ohne dass man weiss weshalb, wie ein Zuschauer bemerkt.

      Die Zeit fliesst unbemerkt und es ist eine solche Konzentration im Raum, dass niemand von der Option Gebrauch macht, ihn zeitweilig zu verlassen. Plötzlich tauchen absurde Objekte auf, kleine, gelöcherte Teppiche aus Karton, die Geräusche hervorbringen und als Maske oder Kopftuch getragen werden, zur Prothese werden oder im Raum herumfliegen. Das Spiel mit dem Material bringt eine greifbare, konkrete Ebene in den Raum. Trotzdem dauert sie mir etwas zu lang, eröffnet mir das Objekt zu wenig Assoziationsraum.

      Habe ich erwähnt, dass es keine Klänge, keine Musik gibt? Wie beim Schreiben habe ich diesen Umstand auch beim Zuschauen vergessen. Die im Augenblick komponierten und komponierenden Körper sind Klang genug. Musik würde die Resonanz zwischen den Tanzenden und uns Zuschauenden vielleicht übertönen.

      Der Abschluss des zweistündigen Events kommt wohl für alle überraschend und etwas früher als geplant. Doch ist er durchaus stimmig: mit dem Öffnen des hinteren Vorhangs wird der Blick auf Bälle und Matten frei. Das sind Utensilien des Zirkusquartiers, Heimat für Artistinnen und Akrobaten und immer mehr auch Tänzerinnen aus Zürich. Zum Glück, sonst könnte dieses kleine Festival, das schon zum zweiten Mal zu Gast im «Ort für neuen Zirkus» war, vielleicht nicht stattfinden. 

       

      Tina Mantel, 14.3.2020

    • I U M I (2019)

      Von Jenna Hendry und Matilda Biberg, Fabriktheater Rote Fabrik Zürich, 23. November 2019

       

      Wie wunderbar, wenn man während und nach einer Tanzaufführung das Gefühl hat, beschenkt zu werden. Wenn die einzigartigen Stärken des Tanzes – physische Durchdringung, differenzierte Körperlichkeit, Berührung mit und über den Körper –  grosszügig an die Zuschauenden weiter gegeben werden. Dies ist mir bei «Iumi» von Jenna Hendry und Matilda Biberg so gegangen. Von Anfang an haben mich diese beiden jungen Tänzerinnen in ihren Bann gezogen. Musik und Tanz starteten, bevor wir in den Zuschauerraum durften. So war das Stück bereits in Gang als wir unsere Plätze auf zwei Seiten der Bühne einnahmen, es war beiderseits kein «Aufwärmen» nötig. Das Interesse an der vielseitigen Bewegungssprache und der unisono Struktur – durchchoreografiert oder ausgeklügeltes «follow the leader» ? – war von Anfang an da.

      Die beiden Tänzerinnen verbindet das gemeinsame Interesse an Berührung im Kontext Tanz, lesen wir im Programmheft. Das tönt nach Kontakt Improvisation, der Tanzform, die den Kontaktpunkt zwischen zwei Körpern als Ausgangspunkt für Bewegung nimmt. Sicher beherrschen Jenna und Matilda diese Form, aber was sie uns über Berührung zeigen und fühlen lassen, geht über den Körper hinaus. Sie lassen Momente von zärtlich emotionaler Intimität zu, wenn sie eng umschlungen durch den Raum gleiten. Sie zeigen uns was Begegnung sein kann, wenn zwei Menschen mit offenem Blick aufeinander zu gehen und wie daraus wieder Tanz wird. Sie stützen sich gegenseitig, indem sie um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreisen. Ganz entfernt erinnert das an Paartänze, wobei sie die dort herrschenden Elemente des Führens und Folgens herauskristallisieren und demokratisieren. Deshalb kommt das Paar auch ohne die schon so oft gesehenen, akrobatischen Hebefiguren aus, denn sie bleiben dem Thema der Begegnung, des Miteinanders treu.

      Das gilt auch und in besonderem für ihre Beziehung zum Publikum. Wir fühlen uns während der ganzen Performance eingebunden in das Geschehen auf der Bühne, spüren die verschiedenen Formen der Berührung zwischen den Tänzerinnen sozusagen am eigenen Körper. Sie erreichen das einerseits durch ihre Performance Qualität. Mit grosser Selbstverständlichkeit berühren sie die Zuschauenden mit ihrem Blick. Auch tanzen sie manchmal sehr nahe auf einer Seite des Publikums, und wenn sie am seitlichen Bühnenrand stehen, zeigen sie uns mit ihrem Blick jeweils, dass wir zu ihrem Raum gehören. Auch die unauffällige Lichtregie (Maria Ros) unterstützt das Miteinander von Bühnen- und Zuschauerraum. Die Musik von Alex Zampini gibt dynamische Impulse, lässt aber auch Raum zum Atmen und Spüren.

      Es sind wenig Momente, wo sich die beiden Tänzerinnen voneinander trennen und sich stattdessen auf die Nähe zum Publikum konzentrieren. Auf unserer Seite war es Jenna, die sich für eine Begegnung mit mir persönlich Zeit genommen hat. Wie sie es geschafft hat, dass mir dieser öffentliche Moment von Intimität nicht unangenehm war, weiss ich nicht. Nachdem sie vielleicht eine Minute lang vor mir gesessen hat, während der wir uns angeschaut haben, spann sie ein Solo, das etwas über diesen Moment der Berührung erzählt hat. In Worten, wie sie nur der Tanz kennt.

      Tina Mantel

    • In the middle of Nowhere - Your Absence Fills the Space (2019)

      AUS DER RUHE GEBRACHT

      «In the middle of Nowhere – your absence fills the space»
      Konzept/Choreografie Simone Truong Kreation/Performance Cosima Grand, Jeanne Gumy (internship), Tarek Halaby, Anna Massoni, Roger Sala Reyner, Adina Secretan, Simone Truong
      Besuchte Vorstellung: 26. Oktober 2019, Gessnerallee

      Text: Wanda Puvogel

      «Willkommen im Nirgendwo: Bitte ziehen Sie Ihre Schuhe aus und lassen Sie Ihre Sachen zurück. Es ist dunkel hier drin, der Boden ist weich. Es gibt keine Stühle, über die man stolpern könnte und keine Wände, die einen stützen.» So steht es im Beschrieb zum Stück, und so ähnlich lautet auch der Text, den man erstmals hört, wenn man den Bereich der Vorstellung betritt und der für lange Zeit in einer Dauerschleife läuft. Tatsächlich kommt man in den ungewöhnlichen Theaterraum nicht hinein, ohne vorher Tasche, Schuhe und alles andere Hinderliche abgegeben zu haben. Worauf lässt man sich hier ein? Eine erste Verunsicherung tritt ein, und das, obwohl die Stimme aus dem Off ebenfalls immer wieder dazu auffordert, es sich bequem zu machen. Die Füsse ohne Schuhe spüren den weichen Boden, der über die gesamte Fläche ausgelegt ist. Auch, nachdem sich die Augen ein wenig an das vorherrschende dunkle Dämmerlicht gewöhnt haben, lassen sich die Ausmasse des Raumes nur ungefähr abschätzen, es sind schwarze Vorhänge, durch die er ohne klar erkennbare Grenzen eingefasst wird. Es fehlen Wände, an die man sich lehnen könnte, die stabilen Halt böten. Irritierend, denn das menschliche Bedürfnis nach Schutz von hinten oder einer Ecke, von der aus man das Geschehen aus sicherer Distanz beobachten könnte, wird bewusst unterlaufen. Nach und Nach betreten immer mehr Menschen die Fläche, bis der Boden relativ dicht besetzt ist. Entschleunigung macht sich breit, die Anwesenden stehen, sitzen, manche liegen. Gelegentlich sind leise Unterhaltungen zu vernehmen. Je länger es dauert, desto fragwürdiger wird jedoch der Begriff «bequem» und alle scheinen zu warten, das etwas beginnt. Dabei hat «es» schon längst angefangen, denn die Performer*innen befinden sich längst mitten unter uns. Sie tragen unauffällige, dunkle Kleidung, später wird man auch die jeweils unterschiedlichen Farben, die darunter hervorschimmern, noch bemerken. Die Tänzer*innen bewegen sich langsam zwischen allen anderen hindurch, vorwärts, rückwärts, aber in jedem Fall behutsam, tastend und bedacht, niemanden zu verletzen. Ihre Augen sind geschlossen, und zwar während des gesamten Stücks. Zur Orientierung werden andere Sinne eingesetzt, das Visuelle bleibt aussen vor. Instinktiv erspüren sie benachbarte Körper. Bei der leichtesten Berührung weichen sie aus. In anderen Fällen machen die Gäste den Platz frei, um eine Kollision zu vermeiden. Wer ist aktiv, wer passiv? Die Gedanken wandern. Was ist meine Rolle? Was wird von mir erwartet? Es ist nicht klar – ein bisschen fühlt man sich, als sei man in ein Spiel hineingeworfen, ohne dass einem die Regeln verraten wurden. Zwei junge Teilnehmer der «Tanznachtisch»-Gesprächsrunde, die im Anschluss an die Vorstellung durchgeführt wurde, sollten später von der Erfahrung berichten, dass sie eigentlich die ganze Zeit auf die Aufforderung zum Mitmachen gewartet hätten und etwas enttäuscht waren, dass diese nie kam. Es bleibt auch im Nachhinein unklar, ob das eine Möglichkeit gewesen wäre.

      Die Produktion ist unterteilt in einige wenige deutlich unterscheidbare Teile. Der zweite kündigt sich durch etwas helleres Licht an. Die Tanzenden finden sich nach und nach zusammen, in improvisierten Figuren, die jedoch nach erkennbarem Muster zustande kommen: die Augen bleiben zu, nach und nach wird jeder von den anderen einmal hochgehoben und getragen. Spannend ist es zu beobachten, wie jede*r Einzelne vorfühlt, wo andere Halt bieten, wo und wie eine Bewegung weitergeführt werden kann, wie sich gemeinsam Stabilität herstellen lässt und wie sich in dieser Phase die Gruppe mit grosser Ruhe immer wieder neu formiert. Meist bewegt die Gruppe sich dabei zwischen den ausweichenden Zuschauer*innen hindurch. In einem Fall jedoch bleibt ein Zuschauer hartnäckig liegen: über ihn rollt das Körperkonglomerat wie eine wabernde Welle vorsichtig hinweg.

      Anschliessend verschaffen sich einzelne Tänzer*innen für kurze Solosequenzen Platz, die wie Ausbrüche an Energie wirken. Die Sitzenden in der Nähe reagieren fast erschrocken, denn hier scheint man zum ersten Mal keine besondere Rücksicht auf die Umgebung zu verwenden.

      Der nächste Teil findet nun in vollständiger Dunkelheit statt. Umso genauer kann man hören: Erste Gesangstöne werden ausgestossen, einzelne Klänge, denen sich weitere anschliessen. Sie mischen sich zu ruhigen Klangclustern zusammen, die anschwellen und verebben. Die Lautstärke der einzelnen Töne lässt Rückschlüsse darauf zu, wie weit andere Personen entfernt sind. Im Schutz der Dunkelheit trauen sich – anders als im ersten Teil – diesmal auch viele der Gäste mitzumachen, sie stimmen in das akustische Spektakel mit ein.

      In der letzten Phase bricht die Apokalypse aus, aus Gesang wird lautes Schreien, ohrenbetäubend kulminiert das Geschehen im Lärm.
      Noch ganz unter diesem Eindruck kehrt man in die Realität zurück. Doch die Welt der Empfindsamkeit, in die man während dieses etwa 75-minütigen Stückes so nachhaltig eingehüllt wurde, klingt auch noch nach der Rückkehr in die «Normalität» lange nach.

      Fazit: Man ist als Besucher*in Teil der Produktion, hautnah beteiligt und eingebunden in ein Geschehen, dass man nur bedingt beeinflussen kann. Es spielt mit unserer Gefühlswelt, irritiert, und löst genau deshalb eine Flut an Gedanken aus, wobei das genannte Thema «Migration» eine zusätzliche Perspektive und Ebene schafft. Erfolgreich zwingt die Produktion alle Anwesenden dazu, die eigene Rolle und das eigene (Nicht-)Handeln immer wieder zu hinterfragen. Simone Truong und ihre Mitstreiter*innen erschaffen mit «In the middle of Nowhere – your absence fills the space» einen Kosmos, der niemanden kalt lässt.

      Wanda Puvogel

    • Female Frequency (2019)

      Tanz im Innern eines Computers

      Female Frequency 2038
      A Dance-Theatre Performance & Panel Discussions Von Marine Besnard, Sonntag 15.9.2019

      Vor genau zwei Jahren wurde das Kraftwerk im ehemaligen Elektrizitätswerk in Zürich eröffnet. Die älteren unter uns erinnern sich an Tanzaufführungen, zum Beispiel von Denise Lampart oder Gisela Rocha, die dort Anfangs der 90er Jahre stattfanden. Nun ist daraus «ein schweizweit einzigartiger Ort für Innovation und Kollaboration» geworden, mit Meeting- und Workshop Räumen, einem einladenden Café und einer Eventhalle, die nun zum ersten Mal (wieder) für den Tanz genutzt wird.
      Hier findet der erste Teil von Marine Besnards Stück statt und er bietet eine grossartige Kulisse für die vier jungen Tänzerinnen. Zwölf Schiffscontainer sind auf drei Ebenen übereinander gestapelt. Darin tanzen die Frauen hinter verglasten Öffnungen, getrennt voneinander und vom Publikum. In grauer Fitnessbekleidung (Kostüme Sabrina Bossard) und zur düster dynamischen Musik von Charles Mugel zeigen sie eine spannungsvolle Mischung von organisch fliessenden, emotional geprägten Bewegungen und kontrollierten, ferngesteuerten Moves. Das choreografische Handwerk der jungen Choreografin zeigt sich in der gekonnten Mischung von individuell gestalteten Bewegungsabläufen und unvorhersehbaren synchronen Momenten zwischen zwei, drei oder allen vier Frauen. Wer vorne sitzt kann nicht alle Tänzerinnen auf den drei Etagen gleichzeitig im Blickfeld behalten. Das Springen des Auges von einem Fenster zum nächsten verstärkt den Eindruck der Isolation. Da beruhigen die bemerkenswerten Videoprojektionen von Sophie Le Meillour das Auge. Senkrecht verlaufende Linien, Punkte oder Binärcodes bringen die Oberfläche der Container in Bewegung und erinnern an Science Fiction Filme. Wir wähnen uns im Innern eines riesigen Computers, die Tänzerinnen und vielleicht auch wir sind Teil davon.
      Nach einem kraftvollen Solo von Ambra Peyer gehen die Lichter in den Containerfenstern aus und die Tänzerinnen versammeln sich im Bühnenraum vor der Containerwand. Auf gleicher Ebene wie die Zuschauer wirken sie jetzt fragiler und menschlicher. Wenn die Stimme aus dem Off (ein Computerprogramm mit italienischem Akzent?) ihre persönlichen Eigenschaften vorstellt, reagieren sie fast beschämt. Auch wir befolgen die Anweisungen dieser Stimme, stehen auf und schliessen uns jeweils einer Tänzerin an, um die Halle in unterschiedliche Richtungen zu verlassen.

      In meinem Fall geht es zuerst in einen sehr schmalen und sehr pink ausgeleuchteten Gang, wo wir uns auf beiden Seiten entlang den Wänden aufstellen müssen. Die agile Tänzerin (Federica Normanno) durchschreitet diesen futuristischen Catwalk in teils absurden, leicht befremdlichen Körperpositionen. Gerne entfliehen wir der körperlichen Enge in den Meeting Room und setzen uns um einen grossen Tisch. Hier tritt uns die Tänzerin Carmelangelo Damico als strenger CEO entgegen. Ihre starke Präsenz entlädt sich in explosiven Bewegungsakzenten. Wieder präsentiert uns hier die Choreografin den Kontrast zwischen roboterhafter Kontrolle und Emotionalität. Das kann als Unentschiedenheit gedeutet werden, oder als bewusstes Schillern zwischen menschlichen und maschinellen Impulsen. Im einzigen live gesprochenen Monolog erklärt die Tänzerin: «Robots don’t know who they are», und ich bin mir nicht sicher, ob uns das beruhigen sollte.

      Weiter geht der Weg durch die Hinterräume und Treppen des Kraftwerks. Geschickt lenken die Tänzerinnen den Bewegungsfluss des Publikums und unterwegs erhaschen wir Eindrücke

      des «innovation space» Kraftwerk. Die Durchdringung von Raum und Aktion ist vom künstlerischen Team geschickt konzipiert und die grosse Stärke der Inszenierung.

      Als nächstes finden wir uns in einem kleinen Arbeitsraum wieder. Hier lässt Naomi Kamihigashi leuchtende Symbole auf einem Tisch erscheinen, wie wir es aus Filmen kennen, die weiter in der Zukunft spielen als «2038». Gerne wüsste ich, was die Schaltkreise bewirken (sollen) und wie der emotionale Gestus der Tänzerin mit den abstrakten Zahlen und Linien korrespondiert. Kontrolliert die Frau hier die Technologie, oder wird sie vom Programm gelenkt? Die Frage bleibt bewusst unbeantwortet.
      Zuletzt tanzt Ambra Peyer im Foyer mit einem ausladenden Ledersofa und einem Notizbuch in der Hand. Eine Stimme aus dem Off fordert sie auf: «there is more to explore!». Ob damit das Computerprogramm oder die Tänzerin selbst optimiert werden soll? Auf jeden Fall ist es eine Freude, der jungen Frau beim Kontakt Duo mit dem Sofa zuzuschauen.

      Im letzten, etwas kurzen Teil sitzen wir wieder in der grossen Halle und erleben nun zum ersten Mal Interaktionen unter den Tänzerinnen. Wie eine ausgeklügelte Apparatur passen die Körper ineinander, halten und tragen einander. Das ist vertrautes Contemporary Dance Vokabular, geschmeidig getanzt. Ich würde gerne mehr davon sehen, hoffe auf eine Entwicklung der Beziehung unter den Frauen und zu ihrer Umgebung. Diese inhaltliche Zuspitzung oder Konkretisierung fehlen am Schluss. Doch ich bin dankbar für ein zeitgenössisches Stück, das den Tanz so stark gewichtet. Denn obwohl Licht, Video, Musik und vor allem der Raum eine zentrale Rolle spielen, ist doch spürbar, dass Marine Besnard ihrer Kunstform, dem Tanz, vertraut. Gemeinsam mit ihren jungen Tanztalenten sucht sie nach treffendem Bewegungsvokabular, was besonders im ersten Teil und gewissen Solos gelingt. Und vielleicht ist es richtig, dass Marine und ihre Dramaturgin Katrin Kolo, den Tanz nicht zu sehr mit konkreten Inhalten befrachtet haben. Diese werden in anderer, besser geeigneter Form transportiert: den Panel Discussions. Hier werden im Anschluss an jede Aufführung weibliche Führungskräfte aus dem Technologie Bereich präsentiert. Sie diskutieren die Frage, die zugleich Aufforderung ist: do «Women belong in Tech!?». Da dieses Format integraler Bestandteil der Aufführung ist, hätte ich mir eine Einbettung in die künstlerische Darbietung vorstellen können.

      Am 15. September ist die Neuroinformatikerin Yulia Sandamirskaya zu Gast. Sie leitet die Gruppe «Neuromorphe kognitive Roboter» von Universität und ETH Zürich. Eindrücklich beschreibt sie, wie schwierig es ist, Robotern embodied intelligence (Körperintelligenz) beizubringen. «Es ist einfacher, das Hirn zu imitieren als den Körper» sagt sie und weiss wahrscheinlich nicht, wie erfreulich das für Tanzschaffende klingt. Yulia schildert die komplexen Abläufe, die für die Imitation einer einfachen menschlichen Bewegung notwendig sind. Da wird uns nachhaltig bewusst, welche Kompetenzen Tänzerinnen auf physischer, kognitiver und propriozeptiver Ebene benötigen, um differenzierte Abläufe zu tanzen, koordiniert in Raum und Zeit und gefüllt mit emotionalem Inhalt.

      Dieses verkörperte Wissen könnte und sollte mehr geschätzt und genutzt werden. Es ist ein Verdienst von «2038», dafür neue Netzwerke zwischen Tanz und Technologie geschaffen zu haben.

      Tina Mantel

    • Oxy Moron (2019)

      Malika Fankha: Oxy Moron im Tanzhaus am 5 Juni 2019

      Text: Evelyn Klöti

      Aufführungsimpressionen – Tanznachtisch der TanzLOBBY IG Tanz Zürich

      Uterus-Universum – mit Shrimp

      Stockdunkel. Sphärische Klänge. Grüne Augen blitzen in ungewohnter Höhe. Kommt da ein Wesen auf uns zu gestelzt? Ist es/er/sie bewaffnet? Hat uns im Visier?

      Sobald sich der Nebel lichtet, zeichnet sich eine gewaltige Silhouette ab, die in lila Overknee-Stiefeln geradewegs auf uns zu gestöckelt kommt – ein Catwalk der anderen Art, ein Cyborg.

      Oranges Licht gibt den Blick frei auf eine Maske, umrandet von strähnigem Haar: Hexentanz? „I’m the son of a witch“, wird Malika Fankha später sagen. Sie schält sich – mit zuckendem Oberkörper und kreisenden Hüften – aus Kleid und Stiefeln. Dann erst wird klar, dass sie uns die ganze Zeit über den Rücken zugedreht hat, uns nicht direkt im Visier hatte. Denn die Schamanenmaske klebt am Hinterkopf. Was steckt dahinter? Was ist vorne? Die Perspektiven verdrehen sich. Die janusköpfige Kreatur geht in die Knie und transformiert sich in ein amorphes Wesen, mutiert zum Seehund und dreht sich – ruckzuck – um. Eine knabenhafte Frau mit Brüsten und zig angeklebten Brustwarzen präsentiert ein männlich wirkendes Gesicht mit einem Mona Lisa-Lächeln – auch dieses ist nur eine Maske, eine weitere Etappe auf einer faszinierenden Reise im Saal des Tanzhauses.

      Selten sieht man ein Stück mit einem derart verwirrenden und gleichzeitig glasklaren Anfang. Das schürt Erwartungen. Denn bereits in den ersten Minuten steht der Titel „Oxy Moron“ in Form des Cyborgs mit Januskopf im Raum. Die rhetorische Figur „Oxymoron“ bezeichnet einen Widerspruch in sich, der aber über sich hinausweist und kaum Auszudrückendes zum Ausdruck bringen kann; eine „scharfsinnige Dummheit“ eben, wie die griechischen Wortwurzeln dies nahelegen. Diese rhetorische Figur ist Programm, aber der Zugang ist ein metaphorischer, transformatorischer. Hält der Titel, was er verspricht? Hält der Anfang dem Stück stand – die Performerin durch? Ja! Und zwar nicht nur mit ihrer wandelbaren physischen Präsenz, sondern auch mit einem ungemein starken Text.

      Die Bernerin Malika Fankha ist in verschiedenen Künsten zu Hause und bringt diese – mit viel Selbstironie – an ihrer Zürcher Premiere auf die Bühne. Sie studierte Schauspiel in Zürich sowie zeitgenössischen Tanz in Salzburg und New York. Seit Jahren arbeitet sie als Tänzerin, Choreografin, Slam- und Sound-Poetin und DJ, mit Schwerpunkten in Brüssel und Wien. Ob sie Elfriede Jelinek schätzt? Jedenfalls lässt Malika Fankhas musikalischer, rhetorisch gewiefter und mit Kalauern gespickter Text an die – im doppelten Wortsinn – wütenden „Textflächen“ der österreichischen Nobelpreisträgerin für Literatur denken.

      Ist „Oxy Moron“ nun eine One-Woman-Show? Nein, eine Two-Women-Show, denn die zweite Künstlerin, die Luxemburgerin Valérie Reding, ist für Make-up, Kostüme und Bühnenbild zuständig. Eigentlich selber Tänzerin und Drag Performerin zieht sie in „Oxy Moron“ im Hintergrund die Strippen und lässt die Materialität ihrer Accessoires spielen – und natürlich diesen/s Cyborg.

      „I’m very much down to earth, but not on this one“; ein Mix sei sie, aus chemischen Substanzen und organischem Fleisch, sagt Malika Fankha, und nähert sich so der Definition von Cyborg (ein Akronym aus cybernetic organism), diesen Mischwesen aus Mensch und Maschine, nicht zu verwechseln mit Robotern und Automaten. Letztere verfügen über eine lange Tradition im Tanz, denn Fragen wie: Was ist echt? Was gefälscht? Was Fiktion? Was Realität? Mann oder Frau? Und wer hat eigentlich die Fäden in der Hand? – sind und bleiben spannend und hochaktuell. Sowohl in der analogen als auch in der digitalen Welt und besonders an ihren Schnittstellen.

      Valerie Reding und Malika Fankha legen den Fokus auf Transformationen und zeigen Körper und Sexualität jenseits von Normen. Reduktiv auf der Bewegungsebene, dafür umso überbordender im Text, in der Fiktion. Die halb-autobiografische Erzählung handelt vom Mädchen-Sein und Frau-Werden und spielt in einer „Eso-Welt“ mit – pardon! – „Eso-Mutter“. Lang und breit lässt sich Malika Fankha über ihr „Uterus-Universum“ aus, wo ein Shrimp, eine Crevette, hause und Whatsapp-Nachrichten schicke, und „the transformative power of climaxing“. Grossartig ist auch die Yoga-Parodie auf einem giftgrünen Rasenteppich, wobei die E-Zigarette der Haschischpfeife Platz gemacht hat, um den Selbstverwirklichungstrip zu beflügeln.

      Das tönt hochamüsant, stünde da nicht dieses „I wish I had a body on my own“ im Raum, der Wunsch nach einem eigenen Körper, ausgesprochen von diesem deformierten, transformierten, havarierten Cyborg, der/das stets eine Art Menschenwürde behält, weil seine Darsteller*innen souverän agieren.

      Im Anschluss an die gut aufgenommene Premiere (nur ein Zuschauer verliess - wohl irritiert – den Saal) diskutierte eine kleine Runde an einem (TanzNach)Tisch. Dabei war frau sich einig über den sensationell dichten Anfang von „Oxy Moron“, der alle sofort neugierig auf dieses janusköpfige Wesen gemacht und verschiedene Assoziationen ausgelöst hatte. Uneinig war frau sich allerdings bei der Frage, ob das Stück dem Anfang standhalte. Der Text sei zu lang, dominant und eindeutig, sie hätte – auf der grossen Bühne des Tanzhauses – lieber mehr Tanz, eine raumgreifendere Choreografie, gesehen. Nicht leicht zu verstehen sei der Text, aber mehrdeutig und voller kruder Details. Dieser Shrimp im Uterus...? Fremdkörper? Geschlechtervermischung? Krankheit? Damit sei doch ganz einfach ein Fötus gemeint. – „Habt ihr denn euren Föten keine Namen gegeben?!“ – Die älteren Semester fühlten sich in die 80er Jahre – New Age, Drogen und befreite Sexualität – zurückkatapultiert: alles schon gesehen und erfahren, während dieser/s Cyborg für die jüngeren eher in die Gegenwart und Zukunft wies. Zu sanft, zu flach sei der Schluss des Stücks, obwohl Malika Fankha gut singe und die leuchtenden Schmetterlinge – Transformation par excellence – schön seien. Und natürlich war frau sich einig, dass da zwei erfahrene und souveräne Performerinnen/Künstlerinnen am Werk waren.

      Evelyn Klöti

    • All In (2019)

      «All In» von Daniel Hellmann in der Gessnerallee (Aufführung: 27. April 2019, Premiere: 25. April)

      Offener Dreier

      Daniel Hellmann hat sich schon in mehreren Performances mit queerer und Mainstream-Sexualität auseinandergesetzt. In «Traumboy» beschrieb er seine Erfahrungen mit der käuflichen Liebe, in «Full Service» verkaufte er Wunscherfüllungen in einem kleinen, intimen Zelt. In «All In» befasst er sich nun mit Polyamorie.

      Hand aufs Herz: Geliebt werden wollen wir doch alle. Mit all unseren Ecken und Kanten, vollumfänglich, so, wie wir sind. Aber wie ist es, wenn nicht eine Person im Zentrum des Begehrens steht, sondern mehrere? Wenn das klassische Duo zum Trio, Quartett oder Quintett anwächst. Ist geteilte Liebe doppelte Liebe oder nur halb so viel wert?
      Daniel Hellmann, Anne Welenc und Layton Lachman haben sich für ihr Stück «All in» in der Gessnerallee mit Dreierbeziehungen beschäftigt. Sie fragten 19 Menschen, die in Dreieckskonstellationen leben oder gelebt haben, nach ihren Erfahrungen. Deren Aussagen verweben sie zu Zitatblöcken, die im Laufe des Abends rezitiert werden. Ein Tanz um Worte also? Mitnichten – auch wenn die Bewegungen auf ersten Blick oft zufällig wirken. Wie in Zeitlupe lösen sich die drei am Anfang des Stücks voneinander, nachdem sie zunächst unter einem herabbaumelnden Deckenmikrophon dreistimmig ihr Zugeständnis gesungen haben. Dieses «Ja» in allen Ton- und Stimmungslagen fasst die Performance schon zu Beginn zusammen: Sie ist ein Ja zur Liebe, zur grenzenlosen Offenheit mit all ihren Konsequenzen.

      In der Folge füttern sich Lachman und Hellmann mit bunten Jelly-Süssigkeiten, räkelt sich Welenc auf einer kreisrunden Luftmatratzenspielwiese oder mimen die drei auf der grossen Showtreppe (Bühnenbild Theres Indermauer) glückliche Triangel-Häuslichkeit. Bildmomente wie aus Film-Stills sind das, zeitgenössische Stillleben, die quasi im Off die Nacherzählungen der Recherche-Gespräche mit Bildmomenten unterlegen. Wenn getanzt wird, dann in kurzen Miniaturen, die die verschiedenen Versuche verdeutlichen, in immer wieder wechselnden Kombinationen zusammenzufinden. Geht es in den gesprochenen Zitaten um Lebensbeispiele anderer, wird im körperlichen Miteinander die persönliche Auseinandersetzung der Protagonist*innen sichtbar.

      Mal erinnert das an wildes Gezappel in der Disco, mal an ein intensives Durch- und Übereinanderkriechen in einer Therapiestunde. Dann wieder finden die drei im rockseligen Reigen zur Harmonie. Doch meist bleibt es bei Experimenten auf Zeit, bei Momentaufnahmen, die keine vertiefte Emotion zuzulassen scheinen. Das wirkt zuerst paradox bei einem so emotionalen Thema wie der Liebe. Ist Dreisamkeit zur Oberflächlichkeit verdammt, in der jede und jeder sich ein Stückchen Distanz bewahrt, um von den komplexen Ansprüchen dieser offenen Lebens- und Liebesform nicht verschlungen zu werden? Oder ist es nichts als richtig, dass etwas so grundlegend Natürliches wie die Liebe kein konstruiertes Sinnsuchebühnenbrimborium braucht: Die Liebe zu dritt als Lebensmoment, nicht mehr, aber auch nicht weniger?
      Und doch: So einfach und natürlich wie die Liebe ist, so kompliziert und manchmal schmerzhaft können Beziehungen sein. Diese Tiefen lotet das Stück nicht aus, was angesichts der wieder höher wachsenden Grenzzäune der Moral zumindest schade ist.

      In der «TanzNachTisch» Gesprächsrunde nach der Vorstellung geht es lange um die ästhetische Wirkung einzelner Szenen. Die als liebevolle Umhüllung wahrgenommene Plastikplane, unter der sich Hellmann überraschend verletzlich zeigt, die Verlorenheit von Anne Welenc auf der kreisrunden Luftmatratze oder auch die tänzerisch-tastenden Gänge von Lachman sind allen im Gedächtnis geblieben. Es sind berührende Momente der Offenheit. Die Aufzählung stoppt als einer der Teilnehmenden sich zur Wehr setzt, weil ihm nicht gefällt, dass das Stück in der Runde analytisch in seine Einzelteile zerlegt wird. Ein wichtiger Gedanke: Schliesslich ginge es doch um die Summe, um den Gesamteindruck, der die Stimmung prägt, mit der man aus dem Theater geht. Diesbezüglich ist

      sich die Gesprächsrunde weniger einig und mit der Zeit öffnet sich auch ein Generationengraben. Wer die Befreiungsbewegungen der siebziger und achtziger Jahre aktiv miterlebt hat, mag sich wundern über die Brisanz, die das Thema sexuelle Freiheit für heute Zwanzig- und Dreissigjährige noch hat. Immer noch – oder wieder – braucht es Mut zum «Coming Out», wenn jemand/jefraud nicht im gängigen Muster heterosexueller Zweisamkeit lebt. Das macht Stücke wie «All In» (wieder) nötig.

      25.-30. April Gessnerallee

      Performance/Künstlerische Leitung : Daniel Hellmann, Layton Lachman, Anne Welenc

      Konzept: Daniel Hellmann

      Bühnenbild: Theres Indermaur

      Musik/Sound-Design: Samuel Hertz

      Licht-Design: Anna Lienert

      Kostüme: Mert Otsamo

      Dramaturgische Beratung: Wilma Renfordt

      Outside Eye: Björn Ivan Ekemark

      Produktion : Lisa Letnansky
      Diffusion : Florence Francisco / Les Productions de la Seine

      Administration: Regula Spirig
      Eine Produktion von Daniel Hellmann in Koproduktion mit Gessnerallee Zürich

      Gefördert durch: Stadt Zürich Kultur, Fachstelle Kultur Kanton Zürich, Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, Stiftung Anne-Marie Schindler, Fondation Nestlé pour l’Art, Georges und Jenny Bloch- Stiftung

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